Neues aus der Bütt
Arbeitsausfall und Urlaub bei Betriebsschließung und Quarantäne
von Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal
In den letzten beiden Wochen haben das Bundesarbeitsgericht (BAG) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf zwei wegweisende Entscheidungen getroffen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021
Gehalt – Arbeitgeber muss im Lockdown nicht zahlen
Der Fall
Das BAG urteilte am 13.10.2021, dass ein Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls seiner Beschäftigten nicht trägt, wenn sein Betrieb wegen eines „Lockdowns“ vorübergehend geschlossen werden muss. Firmen müssten deshalb im „Lockdown“ keinen Lohn zahlen.
Solche Ausfallzeiten für die Mitarbeiter*innen finanziell aufzufangen, sei Sache des Staates. Schließlich sei es der Staat, der zum Zwecke des Infektionsschutzes die Schließung nicht „systemrelevanter“ Einrichtungen anordne, nicht der Arbeitgeber. Eine Minijobberin hatte ihr Entgelt für den Monat April 2020 eingeklagt, als ihr Arbeitgeber auf behördliche Anordnung geschlossen war. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten ihrer Klage stattgegeben, das BAG hob sie auf die Revision des Arbeitgebers hin auf.
Das Fazit
Die Entscheidung des BAG ist juristisch nachvollziehbar, zeigt allerdings auch ein erhebliches Defizit im System auf:
Bei sozialversicherungspflichtig tätigen Angestellten gibt es zum Ausgleich für Arbeitsausfälle das Kurzarbeitergeld, zu dem es in Corona-Zeiten einen vereinfachten Zugang gibt. Darüber wird bei Betriebsschließungen immerhin ein Großteil der Bezüge fortgezahlt.
Durch das Raster fallen allerdings alle Minijobber*innen. Für sie gibt es kein Kurzarbeitergeld und auch keine anderweitige staatliche Kompensation. Angesichts der politisch gewollten Förderung flexibler Arbeitsverhältnisse der letzten 20 Jahre gerade im Niedriglohn- und Teilzeitbereich sollte der Gesetzgeber hier zügig nachbessern.
Landesarbeitsgericht NRW, Urteil vom 15.10.2021
Urlaub – Quarantäne nicht zugleich Arbeitsunfähigkeit
Der Fall
Am 15.10.2021 traf das LAG Düsseldorf eine Entscheidung zur Gutschrift von genehmigten Urlaubstagen in einer Quarantäne. Das Gesundheitsamt ordnete bei einer Arbeitnehmerin wegen Kontakts mit ihrer Covid19-infizierten Tochter eine häusliche Quarantäne vom 06. bis zum 23.12.2021 an. Auch die Frau selbst war positiv auf Covid19 getestet und damit als „Kranke“ im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingestuft worden. Krankheitssymptome hatte sie allerdings nicht, ging deshalb nicht zum Arzt und ließ sich keinen „gelben Schein“ ausstellen. Vor der Quarantäne hatte ihr Arbeitgeber ihr bereits Urlaub vom 10. bis zum 31.12.2020 genehmigt. Die Arbeitnehmerin forderte von ihrem Arbeitgeber eine Gutschrift der zehn Urlaubstage, die sie in Quarantäne verbringen musste.
Sowohl das Arbeitsgericht Oberhausen als auch das LAG Düsseldorf haben die Klage abgewiesen. Nach der Regelung im Bundesurlaubsgesetz (BurlG) würden nur die Urlaubstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, während derer die Arbeitnehmerin nachweislich aufgrund ärztlichen Attests arbeitsunfähig gewesen sei. Erkrankung im Sinne des IfSG und Arbeitsunfähigkeit im Sinne des BurlG seien nicht gleichzusetzen. Ohne „Krankschreibung“ durch einen Arzt erfolge keine Gutschrift von Urlaubstagen, selbst wenn man den Urlaub zwangsweise in häuslicher Quarantäne verbringen musste. Ein „urlaubsstörendes“ Ereignis falle grundsätzlich in das Risiko der Arbeitnehmerin, so das LAG Düsseldorf. Anders wäre es nur dann, wenn jede Covid19-Infektion auch zu einer Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit führen würde. Das sei bei symptomlosen Verläufen aber gerade nicht der Fall.
Das Fazit
Die Entscheidung des LAG dürfte symptomlos Infizierte dazu verleiten, sich dennoch „krankschreiben“ zu lassen, um ansonsten verlorene Urlaubstage gutgeschrieben zu bekommen.
Zudem stellt das Urteil die bisherige Anwendung der für Quarantäne-Anordnungen maßgeblichen PCR-Tests in Frage. Wenn nur leicht Infizierte, bei denen aufgrund des beim PCR-Test festgestellten ct-Wertes (Indikator für die Infektiösität) eine Weitergabe der Infektion an Dritte höchst unwahrscheinlich ist, nicht als arbeitsunfähig gelten und ihre Urlaubstage verlieren, warum wird bei ihnen dann überhaupt noch eine häusliche Quarantäne angeordnet? Der ct-Wert spielt derzeit bei der Frage der Quarantäne-Anordnung keine Rolle.
Da das LAG die Revision gegen dieses Urteil zugelassen hat, ist hier das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen. Wird Revision eingelegt, muss sich das BAG mit der Sache befassen und evtl. auch die Aussagekraft der PCR-Tests neu bewerten.