Bundesverwaltungsgericht beendet Beamtenverhältnis
„Königreich Bayern“ kommt beim BND nicht gut an
von Rechtsanwalt Henning J. Bahr
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 2.12.2021 in einem Disziplinarverfahren gegen einen Bundesbeamten über folgenden Fall entschieden:
Ein Regierungsobersekretär beim Bundesnachrichtendienst (BND) hat der im Juli 2015 beim der für seinen Wohnsitz zuständigen Behörde einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis beantragt. In seinem Antrag hat er u.a. als Geburts- und Wohnsitzstaat jeweils „Königreich Bayern“ angegeben und sich auf das „RuStAG Stand 1913“ bezogen.
Das Urteil lautet auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – die disziplinarrechtliche Höchststrafe für einen Beamten. Das Bundesverwaltungsgericht begründet die Entscheidung in der zugehörigen Pressemitteilung Nr. 78/2021 vom 02.12.2021 so:
Im Streitfall hat der beklagte Beamte einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei in vielfacher Weise die Begriffe „Königreich Bayern“ und „RuStAG 1913“ verwendet. Darin liegt objektiv die im Behördenverkehr abgegebene Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht besteht. Als Beamter weiß er um die Bedeutung eines so formulierten Antrags. Zugleich ist ein solches Verhalten typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene, die gerade durch diese Leugnung gekennzeichnet ist. Der Beamte hat zwar angegeben, kein „Reichsbürger“ zu sein, aber auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht plausibel erklären können, warum er sich in dieser Weise verhalten hat. Bei der im Disziplinarrecht im jeweiligen Einzelfall anzustellenden Gesamtabwägung konnten ihn wegen der Schwere des in der Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegenden Dienstvergehens auch die für ihn sprechenden Umstände nicht vor der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bewahren.
Das Wichtigste in Kürze
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2.12.2021 – 2 A 7.21
Der Fall beim Bundesverwaltungsgericht
Ein Beamter beim Bundesnachrichtendienst hat einen sog. Staatsangehörigkeitsausweis beantragt – mit einem Verhalten, das man sonst aus der sog. „Reichsbürgerszene“ kennt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Beamte aus dem Dienst entfernt wird und damit die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme verhängt.
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Im Disziplinarverfahren gibt es mehrere unterschiedliche Sanktionen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Wenn ein Beamter gegen seine Pflichten verstößt, wird er disziplinarisch belangt – bei schwerwiegenden Verstößen bis hin zum Rausschmiss durch Disziplinarurteil des zuständigen Verwaltungsgerichts.
Staatsangehörigkeitsausweis
Wenn Zweifel bestehen, ob jemand deutscher Staatsangehöriger ist, lassen sich diese nicht allein mit einem Pass ausräumen. Endgültigen Beweis liefert nur ein sog. Staatsangehörigkeitsausweis, der auf Antrag ausgestellt wird. Allerdings muss für den Antrag dargelegt werden, wofür man den Ausweis benötigt – und es reicht nicht aus, dass man ihn einfach nur haben will. Bei den allermeisten Menschen ist dies niemals der Fall, weil auch die Geburtsurkunde als Nachweis der Abstammung und unzweifelhafte Eintragungen in den Melderegister grundsätzlich ausreichen.
Was haben Reichsbürger damit zu tun?
Die Szene der Reichsbürger ist dadurch gekennzeichnet, dass sie der Bundesrepublik Deutschland ihre Existenz absprechen und meinen, es bestünden andere Staaten früherer Zeit, zB. das Deutsche Kaiserreich, fort. Daher erkennen Sie Pass und Personalausweis nicht an und beantragen daher Staatsangehörigkeitsausweise auf Grund alter Gesetzesfassungen. In diesem Fall hat auch der Beamte so einen Antrag gestellt.
Was folgt aus dem Urteil?
Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass ein Beamter, der in einem Treueverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland steht und die freiheitliche demokatische Grundordnung zu wahren und zu vertreten hat, das Vertrauen in seine Verfassungstreue zerstört, wenn er den Ideologien der Reichsbürgerszene folgt und dies auch nach außen trägt. Offenbar ist dem Beamten in der Verhandlung auch die Gelegenheit gegeben worden, sein Verhalten zu erklären – das Urteil ist die Folge dessen, dass er dies nicht konnte.
Daher sollten Beamte immer prüfen, welchen Ideologien und Theorien sie glauben und folgen wollen.
Was bedeutet das?
Um die Entscheidung vollständig zu verstehen, müssen erst einmal die teilweise recht speziellen Begriffe erklärt werden, die sowohl den Sachverhalt als auch die Entscheidung prägen
Der Beamte
Beamte sind als Repräsentanten und Handelnde zugleich Gesicht, Sinne und Arme des Staates. Nach § 3 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) stehen sie in einem Dienst- und Treueverhältnis. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt ebenso wie § 60 Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG):
Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
So weit, so wenig überraschend.
Der Reichsbürger
Mit dem Grundgesetz wenig am Hut haben die sog. „Reichsbürger“. Laut Wikipedia handelt es sich um einen
Sammelbegriff für eine organisatorisch und ideologisch sehr heterogene Szene aus meist Einzelpersonen, seltener teilweise sektenartigen Klein- und Kleinstgruppen,die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat bestreiten und deren Rechtsordnung ablehnen. (…) Dabei berufen sich „klassische“ Reichsbürger darauf, dass ihrer Meinung nach das Deutsche Reich statt der Bundesrepublik weiterhin fortbestehe, entsprechend ihrer Ideologie entweder in den Grenzen des Deutschen Kaiserreichs oder in denen von 1937.
Der Staatsangehörigkeitsausweis
Entgegen der langläufigen Meinung beweisen weder Personalausweis noch Reisepass die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Pass darf aber nach § 1 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz des Passgesetzes (PassG) nur Deutschen ausgestellt werden und die Pflicht zum Besitz eines Personalausweises trifft gem. § 1 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) nur Deutsche. Daher stellen beide Dokumente – rechtlich gesehen – ein sehr starkes Indiz dafür dar, dass es sich um eine oder einen Deutschen handelt. Der Pass ist zumindest völkerrechtlich für den Staat, der ihn ausstellt – und dessen Eigentum er auch ist, § 1 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz PassG – verbindlich, wenn es um die Beziehung zu anderen Staaten geht, also zB. um die Annahme einer Abschiebung.
Die deutsche Staatsangehörigkeit ist genau genommen bewiesen, wenn ihre Voraussetzungen bewiesen sind – das ist zB. nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die Geburt als Kind eines Elternteils mit deutscher Staatsangehörigkeit. Diese Art des Erwerbs durch Abstammung wird ius sanguinis genannt. Die Geburtsurkunde – bzw. die Kette der Geburtsurkunden – beweist daher bei 85 % aller Deutschen die Staatsangehörigkeit.
Ein anderer sicherer Nachweis ist natürlich die Einbürgerungsurkunde, wenn jemand nicht durch Abstammung, sondern durch Einbürgerung die Staatsangehörigkeit erhalten hat.
Nun kann es geschehen, dass keine Geburtsurkunde existiert, eine Einbürgerungsurkunde abhanden gekommen ist oder sonstige widrige Umstände den Nachweis verhindern und dennoch bewiesen werden muss, dass die Deutsche Staatsangehörigkeit besteht – und dafür gibt es den Staatsangehörigkeitsausweis. Aus allem vorher geschriebenen ist zu erkennen, dass die allermeisten Menschen diesen niemals brauchen werden.
RuStAG 2013
Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 ist eine Vorgängerregelung des heutigen Staatsangehörigkeitsgesetzes. Da aber das StAG von der Bundesrepublik Deutschland erlassen wurde und manche der oben genannten Reichsbürger der Meinung sind, dass es die Bundesrepublik Deutschland nicht gibt, gibt es auch das aktuelle StAG für diese nicht.
Was hat das alles mit einander zu tun?
Es hat sich bei den sog. „Reichsbürgern“ und anderen von ihren Thesen angesteckten Menschen die Meinung gebildet, dass nicht nur die Bundesrepublik Deutschland nicht existiert, sondern auch die von ihr ausgestellten Dokumente keine Beweiskraft haben. Die Gründe hierfür sehen sie zumeist in fehlinterpretierten Zusammenhängen – wie eben dem Umstand, dass Pass und Personalausweis keinen letztgültigen Beweis der Staatsangehörigkeit darstellen.
Daher hat sich eine Praxis gebildet, dass ein Staatsangehörigkeitsausweis beantragt wird – welche Vorteile sich die Antragstellerinnen und Antragsteller (wobei es sich dem Vernehmen nach überwiegend um Männer handelt) davon versprechen, bleibt schleierhaft. Denn das Dokument wird ja weiterhin von der Behörde der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage des StAG ausgestellt.
Im Gegenzug ist die Verwaltung generell dazu übergegangen, einen Beleg für die Notwendigkeit eines Staatsangehörigkeitsausweises zu fordern und den Antrag abzulehnen, wenn nicht erklärt werden kann, wofür die Antragstellerin oder der Antragsteller das Dokument braucht – außer, es einfach zu haben. Die Rechtsprechung hat dies bestätigt. In einer der hierzu wesentlichen Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht Potsdam (Urteil vom 14.03.2016 – VG 8 K 4832/15) ausgeführt:
Es ist anerkannt, dass vergleichbar mit dem im Verwaltungsprozess erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis als Ausdruck eines allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsatzes auch im Verwaltungsverfahren vor Behörden ein Antrag nur zulässig ist, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse an der von ihm beantragten Amtshandlung hat. Durch diesen Grundsatz soll ausgeschlossen werden, dass die Verwaltung nicht für ersichtlich nutzlose oder unlautere Zwecke missbräuchlich in Anspruch genommen werden kann.
(…)
Weshalb gleichwohl die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft und klärungsbedürftig sein könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Insbesondere wird die deutsche Staatsangehörigkeit – soweit bekannt – auch nicht von dem Beklagten oder anderen Behörden in Frage gestellt. Der Kläger ist im Besitz eines deutschen Personalausweises und eines deutschen Reisepasses. Dass die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte, wie beispielsweise die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, auch nur fraglich sein könnte, ist nicht bekannt. Für einen Verlust der Staatsangehörigkeit spricht nichts. Warum zum Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gerade ein Staatsangehörigkeitsausweis erforderlich oder auch nur nützlich sein könnte, ist vom Kläger nicht dargelegt worden.
Wie kommt es nun zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts?
Grundsätzlich kann natürlich jeder so vielen verwirrten und abwegigen Theorien und Meinungen folgen, wie es schön, nützlich oder einfach lustig erscheint. Nicht so allerdings, wenn der auch für seine Außenwirkung besonders verpflichtete Beamte damit seine Dienstpflicht verletzt, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen. Voraussetzung der Beamtenernennung ist, dass die Person hierfür die Gewähr bietet, § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG. Ist das nicht mehr der Fall und verursacht der Beamte dies durch sein eigenes Verhalten, kann dies ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen und in einem solchen Verfahren kann sich das Vertrauen des Dienstherren in die Verfassungstreue des Beamten als so schwerwiegend gestört erweisen, dass der Beamte „rausfliegt“.
Genau so lag der Fall hier. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass der Dienstherr – die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch den Leiter des BND – zu Recht die Entfernung aus dem Dienst verfolgt hat. Es ist offenbar nach Auffassung des Gerichts mit der Treuepflicht schlechthin unvereinbar, sich offen zu einer Meinung zu bekennen, die der Bundesrepublik Deutschland, der gerade der Bundesbeamte verpflichtet ist, die Existenz abspricht.
Es ist mehr als einleuchtend, dass man nur jemandem dienen kann, dessen Existenz man anerkennt. Dennoch gut, dass das Bundesverwaltungsgericht dies so deutlich klargestellt hat.
Welche Folgen hat das für den Beamten?
Der Beamte verliert durch die Entfernung aus dem Dienstverhältnis seinen Beamtenstatus mit allen Rechten, also vor allem den Dienstbezügen, der Krankenversorgung durch die staatliche Beihilfe und sonstige Begünstigungen. Seine Pensionsansprüche werden durch den Staat in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, dh. er behält die Rentenleistungen für die bisherige Dienstzeit – mehr aber nicht.
Außerdem ist er arbeitslos. Wie viel Verwendung der Arbeitsmarkt für ehemalige BND-Beamte hat, muss er jetzt herausfinden.