OLG Köln zu Fragen der Abrechnung von Bauleistungen

Augen auf bei Abrechnung nach Stundenlohn auf dem Bau!

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

Wie Bauherren und Bauunternehmen Zeit, Ärger und bares Geld rund um Abrechnungen nach Stundenlohn auf der Baustelle sparen können, lesen Sie heute im Ratgeber Immobilienrecht.

  1. Worum ging es?

Bauherren hatten einen Auftrag an ein Bauunternehmern vergeben. Im Rahmen dieses Auftrags war auch der Aushub und die Lagerung von Erde durch das Bauunternehmen auszuführen. Das Bauunternehmen rechnete nach Stundenlohn ab.

Der Auftragnehmer war mit dem Volumen der abgerechneten Stunden nicht einverstanden und bemängelte die Menge dieser abgerechneten Stunden. Abgerechnet hatte das Bauunternehmen 144 Stunden für den Aushub. Das Oberlandesgericht Köln führte eine eigene Beweisaufnahme (durch einen als Beweis angebotenen) Sachverständen durch.  Der Sachverständige hat letztendlich einen Stundenaufwand von 63,2 Stunden, also lediglich 44% der abgerechneten Stunden, als erforderlich angesehen. (Hinweis: Der Sachverhalt ist an dieser Stelle stark vereinfacht dargestellt. Im entschiedenen Fall hatte sich der Sachverständige dezidiert zu einzelnen Schritten geäußert und auch die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit berücksichtigt.)

Der Besteller hatte in dem Streitfall auch die Rückforderung aller geleisteten Zahlungen verlangt. Er begründete dies mit einem – nach seiner Sicht – Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG). Der Auftragnehmer habe Leistungen erbracht, für die das Handwerksrecht einen Meisterzwang voraussetze, ohne einen entsprechenden Meistertitel erworben zu haben.

  1. Die entscheidenden Vorschriften

§ 1 Abs. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG)

Schwarzarbeitet leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung).

§ 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nicht, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Immobilien Bauen

Das Wichtigste in Kürze

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 16.12.2021 – 7 U 12/20

Häufig bestehen unterschiedliche Auffassung zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber welche im Stundenlohn abgerechneten Leistungen für den Auftrag tatsächlich erforderlich waren und ob die abgerechneten Mengen tatsächlich zutreffend sind. Kurz: Wurde die Leistung so schnell erbracht, wie dies tatsächlich erforderlich war oder hat sich der Auftragnehmer hier „Zeit gelassen“?

In prozessualer Hinsicht stellt sich dann die Frage, was der Auftraggeber dem Gericht vortragen und nachweisen muss, damit das Gericht Beweis erheben kann und klären lassen kann, wie viel Aufwand tatsächlich abgerechnet hätte werden dürfen. Das Spannungsfeld besteht dabei darin, dass der Auftragnehmer mit seiner Fachkunde und Erfahrung regelmäßig einen Vorteil gegenüber dem Auftragnehmer hat, der (häufig als Laie) nicht einschätzen kann, wie lange die Arbeiten tatsächlich hätten dauern dürfen.

Der Auftragnehmer muss im Prozess nur die ihm möglichen Anhaltspunkte darlegen, die Rückschlüsse darauf zulassen, ob der abgerechnete Zeitaufwand nicht mit den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Leistungsausführung vereinbar ist. Das Gericht muss lediglich in die Lage versetzt werden überprüfen zu können, was tatsächlich an Leistung ausgeführt wurde und wie lang dies jeweils gedauert hat.

Lassen Sie sich bei Fragen rund um Stundenabrechnungen auf der Baustelle im rechtskontor49 beraten – sowohl als Bauherr als auch als Bauunternehmen. Denn sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer ist nicht nur eine rechtssichere vertragliche Vereinbarung wichtig, sondern auch deren ordnungsgemäße Umsetzung mit nachvollziehbarer Dokumentation. Dann erhält der Bauherr ein ordentliches Werk mit einer nachvollziehbaren Abrechnung und das Bauunternehmen schnell sein Geld.

  1. Die Entscheidung des Gerichts

In gerichtlichen Verfahren stellt sich häufig die Frage, wie das Gericht mit dieser Situation umgehen muss. Der Bauunternehmer rechnet seine geleisteten Stunden ab und der Besteller bemängelt, dass das abgerechnete Volumen unzutreffend sei, weil der Aufwand deutlich geringer gewesen sei oder die Leistungen auch deutlich schneller erbracht hätten werden können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht nicht die Sachkunde des Bauunternehmers für die Entscheidungsfindung zugrunde legen darf und der Besteller häufig nicht über die erforderliche Expertise verfügt, um eine realistische Beurteilung abgeben zu können. Schließlich ist im Zivilprozess davon auszugehen, dass keine Partei einen Standpunkt vertreten wird, der zu ihrem eigenen Nachteil reicht.

Das OLG hat nun die Voraussetzungen des Auftraggebers hierfür konkretisiert und deutlich gemacht, dass die Anforderungen an den Vortrag des Bestellers nicht zu hochgesteckt werden dürfen.

„Es ist zwar grundsätzlich Sache des Bestellers, eine Begrenzung der Stundenlohnvergütung dadurch zu bewirken, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung des Unternehmers ergibt. An die dem Besteller obliegende Darlegung solcher Tatsachen sind jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. […] Ausreichend in diesem Sinne ist sein Vortrag, wenn er das Gericht in die Alge versetzt, hierüber Beweis zu erheben.  […] Es genügt, wenn der Besteller Tatsachen vorträgt, die den Anspruch auf Freistellung von überhöhten Stundenlohnforderungen rechtfertigen. Dafür reicht es aus, dass der BSteller im ihm möglichen Umfang Anhaltspunkte darlegt, nach denen der Unternehmer für die feststellbar erbrachten Leistungen abgerechnete Zeitaufwand nicht den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Leistungsausführung entspricht.“

OLG Köln, Urt. v. 16.12.2021 – 7 U 12/20

Das Gericht unterstreicht, dass es für eine Privatperson nicht erforderlich sei, die erhobenen Einwendungen durch Vorlage einer Dokumentation des Bauvorhabens zu stützen.

Der Senat des OLG Köln erkennt im Ergebnis keinen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) und lehnt auch ein Widerrufsrecht des Bestellers ab.

„Denn selbst wenn es sich bei den zu erbringenden Arbeiten um solche handelte, die nur ein Meisterbetrieb hätte vornehmen dürfen, führte die fehlende Meistereigenschaft der Beklagten zu einem nur einseitigen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG, der nicht die Nichtigkeit des Vertrags nach sich zieht.“

OLG Köln, Urt. v. 16.12.2021 – 7 U 12/20 (aA. allerdings OLG Frankfurt Urt. vom 24.05.2017 – 4 U 269/15, Rn. 18)

Unter Berufung die Rechtsprechung des BGH führt das OLG aus, dass der fehlenden Qualifikation im Rahmen von berufsrechtlichen Sanktionen Rechnung getragen werden könne, jedoch nicht die Voraussetzungen erfüllt seien, nach denen der Vertrag wegen Verstoßes gegen § 134 BGB als nichtig anzusehen sei.

  1. Auswirkungen für Sie

Für Bauunternehmer bedeutet diese Entscheidung, dass bei der Abrechnung von Aufträgen im Stundenlohn noch genauer auf die Wirtschaftlichkeit geachtet werden sollte. Die Anforderungen des Gerichts, an die Darlegungen des Bestellers werden im Zweifel ausreichen, um wenigstens in eine Beweisaufnahme zu führen. Dies führt – bei Einschaltung eines Sachverständigen – zu teils erheblichen (Gerichts-)Kosten, die im Falle des Unterliegens zu tragen sind.

Für Bauherren und Bauherinnen führt das Urteil dazu, dass überhöhnte Stundelohnrechnungen gerichtlich angegriffen werden können, ohne dass eine dezidierte Dokumentation des Baufortschritts nachgehalten werden muss.

Selbstverständlich muss stets im konkreten Einzelfall überprüft werden, ob diese Grundsätze auch in Ihrem Fall eingehalten werden können und / oder ob andere Gründe zu berücksichtigen sind. Insbesondere im Bereich der Stundenlohnabrechnung sind zahlreiche weitere allgemeine Faktoren zu berücksichtigen. Insbesondere verbleibt es dabei, dass im Bauvertragsrecht die Stundenlohnvereinbarung die Ausnahme darstellt (der Einheitspreisvertrag hingegen die Regel), sodass derjenige, der nach Stundenlohn abrechnen möchte auch beweisbelastet ist, dass eine entsprechende Vereinbarung geschlossen worden ist (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl., Rn. 1523).

Gerne beraten wir Sie zu Ihren individuellen Fragestellungen.