Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft.
Galadriel, in: J.R.R. Tolkien, Der Herr der Ringe
Auch wenn das Zitat auf einen eher unterhaltsamen Beitrag deutet, geht es doch um etwas ernsthaftes: Der Wandel der Welt betrifft nicht nur das Klima und die Ampelkoalition. Wir wollen heute – neben Afghanistan, das in aller Munde ist – mit dem Sudan und Guinea auf Brennpunkte aufmerksam machen, die nicht im Fokus der Berichterstattung stehen.
- Afghanistan im Griff der Taliban
- Keine Ruhe für den Sudan
- Unklare Lage in Guinea
Die Entwicklungen in Afghanistan beherrschen seit etwa Anfang August 2021 endgültig alle Medien. Die Taliban überrannten die afghanische Regierung und übernahmen innerhalb weniger Tage die früheren Orte der Stationierung internationaler Truppen, alle Hauptstädte der Provinzen sowie Kabul ein und besetzten am 15.8.2021 den Präsidentenpalast (YouTube-Kanal Der SPIEGEL).
Seitdem bemühen sich die Taliban um eine möglichst positive Außenwirkung (Human Rights Watch vom 20.8.2021), während die Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen nicht abreißen (amnesty international vom 21.9.2021) und die Bevölkerung weiter in Armut und Hunger gestürzt wird (taz.de vom 15.10.2021).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheidet aktuell nicht über Asylanträge afghanischer Schutzsuchender. Einige deutsche Verwaltungsgerichte – auch das Verwaltungsgericht Osnabrück – rechtfertigen weiterhin selbst noch Anfang Juli 2021 durchgeführte Abschiebungen in das Land in aktuellen Entscheidungen und versagen den Klägern die Zuerkennung von Schutz (Urteil vom 21.9.2021, Az. 1 A 138/21). Diese Frage wird sicher auch noch das Niedersächsische und andere Oberverwaltungsgerichte beschäftigen.
Wir raten afghanischen Staatsangehörigen, die noch keinen Schutz und keinen regulären Aufenthalt erhalten konnten, prüfen zu lassen, ob sie einen Asylfolgeantrag stellen sollten. Das lässt sich nicht pauschal für jeden Fall in gleicher Weise beantworten, weil es auch andere Gründe für einen sicheren Aufenthalt geben kann. Dann kann ein Folgeantrag auch Nachteile mit sich bringen, so dass Sie nicht ohne vorherige Beratung tätig werden sollten.
Wenden Sie sich gern an info@rechtskontor49.de oder verwenden Sie unser Kontaktformular.
Afghanistan im Griff der Taliban
Keine Ruhe für den Sudan
Der Sudan – eines der ärmsten Länder Afrikas – hat eine wechselvolle Geschichte der letzten 25 Jahre aufzuweisen: Angriff der USA auf eine Arzneimittelfabrik, weil dort angeblich Giftgas hergestellt werde, Diktatur des Staatschefs Al-Bashir, die Unabhängigkeit des Südsudan, die Ablösung des Diktators. Die Region Darfur gilt noch immer als Risikofaktor – auch in humanitärer Hinsicht. Nach der Machtübernahme durch das Militär in 2019 sorgte im August 2020 ein Friedensabkommen zwischen unterschiedlichen politischen Gruppen auch der Zivilgesellschaft für Hoffnung.
Doch im vergangenen Jahr 2020 sorgten schwere Überschwemmungen in der Region der Hauptstadt Khartoum (FAZ.net vom 18.9.2020) für Schäden, die wir aus Deutschland jetzt aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nachvollziehen können. Viele Menschen stehen auch im Sudan vor noch weniger als sie zuvor schon hatten. (derstandard.de vom 25.9.2020).
Am 21.9.2021 wurde ein erneuter Putsch vereitelt, hinter dem Anhänger Al-Bashirs vermutet werden (tagesschau.de vom 21.9.2021). Im September 2021 gab es erneut schwere Überschwemmungen (euronews.com vom 22.9.2021). Demonstranten blockieren den wichtigsten Hafen Port Sudan am Roten Meer, um regionale Belange durchzusetzen (spiegel.de vom 4.10.2021). Der amtierende Premierminister spricht von der „schlimmsten und gefährlichsten Krise“ des Landes in den zwei Jahren seit dem Sturz Al-Bashirs (aljazeera.com vom 16.10.2021), nachdem Reisebeschränkungen für zivile Funktionäre bekannt geworden waren (reuters.com vom 13.10.2021) und die Allianzen zwischen Rebellengruppen und zivilen Kräften nicht mehr zu halten schienen (bloomberg.com vom 11. und 12.10.2021).
Die Lage im Sudan ist instabil und die humanitäre Situation nicht weniger als katastrophal. Dennoch ist zB. das Verwaltungsgericht Osnabrück der Auffassung, dass auch Familien mit kleinen Kindern eine Rückkehr bzw. ein Leben im Sudan zugemutet werden kann (zB. Urteile vom 1.9.2021 – 5 A 691/19 und 5 A 192/19). Ob diese Auffassung haltbar ist, hat Rechtsanwalt Henning J. Bahr dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht vorgelegt, das aber in den letzten Jahren selten die Bereitschaft gezeigt hat, sich mit den humanitären Umständen über die Feststellung der Verwaltungsgerichte hinaus zu beschäftigen. Wir werden über neue Entwicklungen weiter berichten. Es lohnt sich aber auch für sudanesischen Staatsangehörige weiter, sich die Entwicklungen genau anzusehen.
Guinea – gelegen an der Atlantikküste Westafrikas – ist ein Land, das in den deutschen Nachrichtensendungen kaum eine Rolle spielt. Das seit 2010 von Präsident Condé regierte Land tauchte daher für viele überraschend mit der Meldung eines vermeintlichen Militärputsches auf (tagesschau.de vom 6.9.2021) – wenn die Meldung überhaupt bemerkt wurde. Aber die Lage war erst einmal unklar: Die Meldungen widersprachen sich, die westafrikanische Staatenorganisation ECOWAS verhängte Sanktionen (dw.de vom 17.9.2021).
Doch inzwischen hat sich die Situation so weit geklärt, dass die Rebellen ihren Machtanspruch festigen konnten. Deren Anführer hat einen ehemaligen UN-Beamten und Landwirtschaftsexperten zum Ministerpräsidenten ernannt (rnd.de vom 7.10.2021) sowie eine Übergangsverfassung und Wahlen ohne Beteiligung von Militärangehörigen angekündigt (evangelisch.de vom 28.9.2021).
Der Putsch wurde mit Korruption und Missmanagement der Regierung begründet. Die Ankündigungen der neuen militärischen Machthaber klingen positiv – es wird ein gleichberechtigt gewähltes Parlament mit einer Frauenquote von 30 % genannt. Dennoch handelt es sich um einen gewaltsamen Umsturz ohne Garantie für Befriedung. Guinea ist seit Jahrzehnten von ethnischen Konflikten zwischen den Volksgruppen der Malinke – denen Präsident Condé angehörte – und den gesellschaftlich und wirtschaftlich benachteiligten Fula geprägt. Es wird sich zeigen müssen, wie sich der Machtwechsel auf diese Probleme auswirken wird.