Verkehrszeichen 237 – Radweg

Radweg-Zeichen 237

Was bedeuten die Fahrbahnmarkierungen auf der Pagenstecher Straße?

Gefährliche Radwege in Osnabrück

von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

Ende Oktober 2021 kam es an der Pagenstecher Straße in Osnabrück erneut zu einem folgenschweren Fahrradunfall, der nur aufgrund glücklichster Umstände – Gott sei Dank – nicht tödlich endete. Auslöser des Ereignisses war ein sog. Dooringunfall. Die grundsätzliche Problematik derartiger Situationen ist hinlänglich bekannt und auch in der NOZ bereits mehrfach diskutiert worden. Wann immer Fahrradwege an parkenden Autos vorbeiführen, bedeutet dies eine potentielle Unfallgefahr mit regelmäßig besonders drastischen Unfallfolgen für RadfahrerInnen.

Sonderweg an der Pagenstecher Straße

Das Wichtigste in Kürze

Radweg, Schutzstreifen, Radfahrstreifen – was ist das?

In Osnabrück kommt es immer wieder zu schweren Fahrradunfällen, gerade wenn Radwege an parkenden Autos vorbeiführen. Die Gefahr öffnender Türen und daraus resultierender sog. „Dooring-Unfälle“ ist offensichtlich.

Ein Radweg ist eine Radverkehrsanlage, die sich baulich von der Fahrbahn für den Autoverkehr unterscheidet. Er ist durch das blaue Verkehrszeichen 237 zu erkennen und nur für Radfahrern, die ihn auch benutzen müssen.

Ein Fahrradschutzstreifen ist ein Bereich der Fahrbahn, der durch gestrichelte Linien (sog. Leitlinie) abgetrennt ist und vorrangig dem Radverkehr zur Verfügung steht. Neben der Leitlinie ist er an einem entsprechenden Piktogramm (stilisiertes Fahrrad) erkennbar.

Ein Radfahrstreifen von mindestens 1,5 m Breite ist mit einer durchgezogenen Linie (in der Regel 25 cm breit) abgetrennt und muss mit dem Verkehrszeichen 237 für Radwege gekennzeichnet sein, wodurch eine Benutzungspflicht für Radfahrer gilt.

Auf der Pagenstecher Straße und auch auf vielen Teilstücken des Wallringes in Osnabrück handelt es sich um Fahrbahnbegrenzungslinien gemäß Zeichen 295 StVO zur Abgrenzung eines Sonderweges, wahrscheinlich für den Radverkehr. Klar geregelt ist das nicht und die rechtlichen Folgen sind vielfältig, vielfach unbekannt und werden ständig missachtet – zu Lasten der Verkehrssicherheit für Radfahrer!

Die Verkehrssituation an der Pagenstecherstraße ist indes eine ebenso besondere wie auch in Osnabrück leider recht häufig vorkommende: Eine etwa 1,10 m breite „Radspur“ verläuft zwischen der Fahrbahn und einem Parkstreifen.  Doch wie ist diese Radspur rechtlich überhaupt einzuordnen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Radfahrer einerseits und dem motorisierten Individualverkehr andererseits?

  • Radweg?

Ein Radweg, also eine Radverkehrsanlage, die sich bereits baulich von der Fahrbahn für den Autoverkehr unterscheidet, liegt offensichtlich nicht vor. Weder ist eine bauliche Trennung vorhanden, noch ist der Fahrbahnbelag deutlich sichtbar anders gestaltet.

  • Schutzstreifen für Radfahrer?

Unter einem Fahrradschutzstreifen ist ein Bereich der Fahrbahn zu verstehen, der durch gestrichelte Linien (Leitlinie) abgetrennt ist und vorrangig dem Radverkehr zur Verfügung steht (vgl. StVO-Anlage 3 zu Zeichen 340, Ziff. 2). Er wird durch das Verkehrszeichen 340 (sog. Leitlinie und Piktogramm) ausgewiesen, wie beispielhaft in Teilen der Meller Straße zu sehen.

Folglich handelt es sich bei der Fahrbahnmarkierung an der Pagenstecher Straße auch nicht um einen Schutzstreifen für Radfahrer, da es dort weder Leitlinie noch Piktogramme (Sinnbilder) gibt.

  • Radfahrstreifen?

Ein Radfahrstreifen ist in Deutschland mit einer durchgezogenen Linie (als Verkehrszeichen 295 bezeichnet; in der Regel 25 cm breit; Breitstrich) von der Fahrbahn für Kraftfahrzeuge abgetrennt und muss mit dem Verkehrszeichen 237 gekennzeichnet sein, wodurch  zugleich, wie auch bei Radwegen, eine Benutzungspflicht für Radfahrer definiert ist. Der Verlauf eines Radfahrstreifens kann durch wiederholte Markierung mit dem Zeichen 237 StVO sowie mit einem Fahrrad-Piktogramm als Fahrbahnmarkierung gekennzeichnet werden. Die Mindestbreite für Radfahrstreifen beträgt gemäß VwV-StVO zu § 2 III Ziffer II. 2a) aa) (Zeichen 237 ) 1,5 m.

Ein Beispiel für einen solchen Radfahrstreifen finden wir in Osnabrück auf einem außenseitigen Teilstück des Johannestorwalls vor und nach der Einmündung der Kommenderiestraße.

Da es im Bereich der Pagenstecher Straße schon an einer entsprechender Beschilderung gemäß Zeichen 237 StVO, dem sog. Breitstrich und offensichtlich auch an der Mindestbreite für Radfahrstreifen fehlt, handelt es sich dort folglich auch nicht um einen Radfahrstreifen.

Was ist es aber dann ?

Bei den Fahrbahnmarkierungen an der Pagenstecher Straße und auch an vielen Teilstücken des Wallringes handelt es sich schlicht um Fahrbahnbegrenzungslinien gemäß Zeichen 295 StVO, hier  zur Abgrenzung eines jenseitigen Sonderweges, der (mutmaßlich) für den Radverkehr bestimmt ist.

Für Kraftfahrzeuge bedeutet dies ein Verbot, diese Linie und den angrenzenden Sonderweg selbst ganz oder auch nur teilweise zu überfahren. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann zulässig, wenn Parkstände oder Grundstückszufahrten nicht anders zu erreichen sind (vgl. StVO – Anlage 2 zu Zeichen 295, Ziff. 3 b). Dies gilt selbstredend nur, solange und soweit keine anderen Verkehrsteilnehmer dadurch gefährdet werden. Parken und Halten auf dem angrenzenden Sonderweg ist verboten. Ebenso ist es Kfz an derartigen Stellen verboten, auf ihrem Fahrstreifen links neben der Linie zu halten (vgl. StVO – Anlage 2 zu Zeichen 295, Ziff. 2a).  Ein Verbot, das insbesondere am Hasetorwall von Zulieferern häufig missachtet wird.

Für RadlerInnen bedeutet diese Markierung des Sonderweges zunächst einmal keine grundsätzliche Benutzungspflicht. Allerdings müssen RadfahrerInnen möglichst rechts von der Fahrbahnbegrenzungslinie auf dem Sonderweg fahren, sofern dort ausreichend Platz vorhanden ist.

An ausreichendem Platz mangelt es jedenfalls dann, wenn ein hinreichender Abstand zu den parkenden Autos auf dem rechtsseitigen Parkstreifen nicht eingehalten werden könnte. Die Frage, welcher Abstand zu parkenden Autos hinreichend ist, klärt die StVO nicht, wird auch seitens der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet und dürfte wohl irgendwo zwischen 90 Zentimeter und einer Türbreite, also etwa 1,20 m anzusiedeln sein. Entscheidend ist dabei der Abstand zwischen dem Lenkerende des benutzten Fahrrades und dem äußersten Kfz.-Anbauteil, also regelmäßig dem linken Außenspiegel eines Kfz. Je nach aktueller Lage der parkenden Autos darf  RadlerIn die durchgezogene Fahrbahnbegrenzungslinie zur Einhaltung des Mindestabstandes zum ruhenden Verkehr also nach links überfahren und den Sonderweg verlassen, solange und soweit dadurch keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Angesichts der durchschnittlichen Breite des Sonderweges von  nur 1,10 m auf der Pagenstecher Straße  und an vielen Teilstücken des Wallrings in Osnabrück dürfte ein Radler folglich links des Sonderweges auf der Fahrbahn fahren, wann immer rechtsseitig Autos parken. Eine Ordnungswidrigkeit wäre dies jedenfalls nicht. Ob ein solches Verhalten allerdings angesichts der Verkehrslage auf diesen Straßen sinnvoller und sicherer wäre, darf indes bezweifelt werden.

Das Fazit

Die vorliegende Betrachtung zeigt dabei aber ein grundsätzliches Kernproblem der Verkehrspolitik in Osnabrück ganz deutlich auf: Eine verbesserte, weil sicherere Infrastruktur für Radfahrer ist nur dann sinnvoll möglich, wenn dem Radverkehr mehr Platz als bisher zugestanden wird. Da der Platz gerade im innerstädtischen Bereich aber nun einmal begrenzt ist, muss zeitgleich der motorisierte Individualverkehr beschnitten werden, etwa indem Fahrbahnteile umgewidmet oder Parkflächen zu Radwegen umgebaut werden.

Sicheres Radfahren ohne gleichzeitige Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs ist jedenfalls in Osnabrück nicht möglich. Solange Politik und Verwaltung der Stadt Osnabrück diese zwingende Kausalität nicht begreifen und entsprechend umsetzen können oder wollen, wird Osnabrück eine Autostadt bleiben und der nächste tödliche Radfahrunfall nur eine Frage der Zeit sein.

Schutzstreifen mit gestrichelter Leitlinie

Schutzstreifen an der Meller Straße

Radfahrstreifen am Johannistorwall

Radfahrstreifen

Sonderweg mit durchgezogener Linie am Hasetorwall

Radfahrstreifen Hasetorwall

Pagenstecher Straße

Sonderweg an der Pagenstecher Straße