von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.04.2022 – Az. 58 Ca 12302/21) hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Arbeitgebers wirksam ist, wenn diese wegen der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises ausgesprochen wird.

Hintergrund

Ein Beschäftigter der Justiz hatte einen Nachweis gegenüber seinem Arbeitgeber vorgelegt, aus dem ersichtlich war, dass er den Genesenenstatus (Covid-19) erfüllte. Zu diesem Zeitpunkt sah § 28 Abs. 1 IfSG vor, dass ein Impfnachweis, Genesenennachweis oder ein tagesaktueller Schnelltest vorgelegt werden musste, um Zugang zu dem Gerichtsgebäude (Arbeitsstelle) zu erhalten, wenn an der Arbeitsstätte Kontakte zu anderen nicht auszuschließen waren. Der vorgelegte Nachweis erwies sich als Fälschung.

Die gerichtliche Begründung

Das Arbeitsgericht Berlin hat die fristlose Kündigung des Arbeitgebers als rechtswirksam anerkannt. Das Arbeitsgericht unterstrich, dass es bei den vorzulegenden Nachweisen um den Gesundheitsschutz für alle anwesenden Personen in dem Gebäude ginge. Derjenige, der diesen Schutz durch die Vorlage eines gefälschten Nachweises umginge, gefährdet den Gesundheitsschutz für die anderen Anwesenden in erheblichem Maße. Dies stellte eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten dar, die eine fristlose Kündigung – auch ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung – rechtfertige.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Einordnung

Das Arbeitsgericht Berlin stimmt mit der Entscheidung anderen Arbeitsgerichten zu, die bereits in ähnlichen Konstellationen entschieden haben. Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 23.03.2022 – 18 Ca 6830/21 – bereits entschieden, dass die fristlose Kündigung nach Vorlage eines gefälschten Impfpasses wirksam sei. Mit Urteil vom 17.06.2021 – 12 Ca 450/21 – hat das Arbeitsgericht Köln die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers im Außendienst (nach erfolgloser Abmahnung) für rechtmäßig anerkannt, nachdem dieser sich weigerte eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Das Arbeitsgericht Gießen hat mit Urteil vom 12.04.2022 – 5 Ga1/22 und 5 Ga 2/22 – entschieden, dass ein Beschäftigter im Pflege- und Gesundheitssektor, der sich nicht impfen lassen möchte, aber auch nicht darüber täuscht, freigestellt werden darf.

Es bleibt weiter abzuwarten, wie die Instanzgerichte entscheiden werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Vorgaben aus §§ 20a, 22a IfSG ist mit weiteren Streitigkeiten vor den Arbeitsgerichten zu rechnen.

Wir werden diese Entwicklung für Sie verfolgen und an dieser Stelle informieren.

Prüfung geschwänzt – Ausbildungsplatz weg

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 17.03.2022 (5 Ca 1849/21) entschieden, dass eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers auch im Berufsausbildungsverhältnis gerechtfertigt sein kann, wenn Auszubildende eine Erkrankung vortäuschen, um eine Prüfungsleistung nicht erbringen zu müssen.

Der Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Auszubildender zum Sport- und Gesundheitstrainer eine Prüfung in der Berufsschule nicht bestanden. Aus diesem Grund sollte der Auszubildende eine Nachprüfung für diese nicht bestandene Prüfungsleistung ablegen. Diese Prüfung war für den 06. Oktober angesetzt.

Am 06. Oktober erschien der Auszubildende in einem dem Ausbildungsbetrieb zugehörigen Fitnessstudios und überreichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 05. Oktober bis einschließlich zum 07. Oktober. Unmittelbar im Anschluss absolvierte der Auszubildende in dem Fitnessstudio eine umfangreiche Sporteinheit. Die Nachprüfung in der Berufsschule, die für den gleichen Tag angesetzt war, hatte der Auszubildende ausfallen lassen. Wegen dieses Verhaltens kündigte der Ausbildungsbetrieb dem Auszubildenden fristlos, wogegen sich der Auszubildende mit einer Kündigungsschutzklage wehrte.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Siegburg hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts hatte sich der Auszubildende nur deshalb krankschreiben lassen, um die Wiederholungsprüfung zu umgehen. Unabhängig davon, ob es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder eine erschlichene Bescheinigung gehandelt habe, stellte das Verhalten des Auszubildenden, nach Auffassung es Arbeitsgerichts, eine erhebliche Pflichtverletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Das Arbeitsgericht glaubte dem Auszubildenden nicht, dass er erst krank gewesen sei und dann plötzlich wieder gesund geworden sei. In dieser Konstellation sah es das Arbeitsgericht als unzumutbar für den Ausbildungsbetrieb an, den Auszubildenden bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die Vortäuschung einer Erkrankung, unter Vorlage einer „falschen“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um eine (Wiederholungs-)prüfung nicht absolvieren zu müssen, begründet eine entsprechende Unzumutbarkeit.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Bedeutung des Falles

22 BBiG sieht in Abs. 2 vor, dass nach Ablauf der Probezeit ein Ausbildungsverhältnis durch den Ausbildungsbetrieb nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden kann. Die Rechtsprechung stellt hierbei regelmäßig hohe Hürden auf, weil das Ausbildungsverhältnis in gewisser Weise einem Erziehungsverhältnis ähnelt.

Eine offensichtlich erschlichene AU-Bescheinigung, um eine Prüfung zu schwänzen, reichte dem Arbeitsgericht aber für einen wichtigen Grund aus.