von Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal

Trotz einer offensichtlich unvollständigen Dokumentation hat das Landgericht Bielefeld die Klage einer Patientin gegen eine Klinik und die dortigen Ärzt*innen abgewiesen. Dabei nahm das Gericht eine Beweislastentscheidung vor, die Anlass zu Kritik gibt.

Der Fall vor dem Landgericht

Geklagt hatte die Patientin wegen fehlender Aufklärung über eine Mobilisierung ihres operierten Zehengelenks. Weil sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu Hause keine Bewegungsübungen machte, versteifte das Gelenk. Erst bei der planmäßigen Wiedervorstellung in der Klinik sei ihr erklärt worden, dass sie den Fuß sofort und täglich zu Hause hätte mobilisieren müssen, so die Patientin. Nur mit intensiver physiotherapeutischer Unterstützung gelang es ihr, eine halbwegs annehmbare Belastbarkeit des Fußes wieder herzustellen. Für die erlittenen Beschwerden verlangte sie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Die Klinik behauptete im Prozess vor dem Landgericht, dass es bei ihr seit vielen Jahren Standard sei, den Patient*innen nach Operationen dieser Art Hinweise zu Eigenmobilisationsübungen zu erteilen und eine Broschüre mit bestimmten, zu Hause auszuführenden Übungen zu überreichen. In der Behandlungsdokumentation der Klinik fand sich eine solche „therapeutische Aufklärung“ aber nicht. Die klagende Patientin bestritt, eine solche Broschüre oder überhaupt Hinweise nach der Operation erhalten zu haben.

Das Landgericht Bielefeld vernahm eine Oberärztin und eine Physiotherapeutin des Krankenhauses als Zeuginnen. Sie waren beide in die Behandlung der klagenden Patientin eingebunden, konnten sich aber nicht mehr an sie erinnern. Beide bestätigten jedoch die interne Anweisung der Klinik über die Hinweise und die Broschüre und gaben zu Protokoll, diese Aufklärung „immer so“ vorzunehmen.

Eigentlich gilt seit Jahrzehnten im Arzthaftungsrecht der Grundsatz „was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht erbracht“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt beim Beweis der Aufklärung faktisch aber „in dubio pro medicus“: Ärzt*innen können den ihnen obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung im Zweifel durch Schilderung einer regelmäßigen Aufklärungsübung erbringen (sog. „immer-so“- Rechtsprechung).

Im Fall der Patientin hielt das Landgericht Bielefeld die Ausführungen der Klinikärztin und -physiotherapeutin für stichhaltig, gelangte so zu der Überzeugung, dass eine ordnungsgemäße therapeutische Aufklärung stattgefunden hatte und wies die Klage der Patientin ab.

Die Kritik

Das Konstrukt des „immer-so-Beweises“ kann Behandelnden im Einzelfall also über die Hürde der fehlenden oder unvollständigen Dokumentation hinweghelfen. Es mehren sich jedoch die Stimmen, dass die BGH-Rechtsprechung einer Überprüfung bedarf. Denn auch wenn es aus ärztlicher Sicht durchaus verständlicherweise zu einer Beweisnot kommen kann, wenn bei einer Vielzahl von Behandlungen Aufzeichnungen einmal nicht vollständig sind, so ist der „immer-so-Beweis“ eben doch nur ein Indiz und kein „echtes“ Beweismittel. Der BGH setzt sich hier in gewisser Weise über die Beweislastregeln aus dem Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 hinweg. Es bleibt daher abzuwarten, ob er in den kommenden Jahren an seiner Rechtsprechung festhält.

 

von Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal

 

Der folgende Text ist die Zusammenfassung eines Vortrages, den der Verfasser zusammen mit Stephan Hanel (Geschäftsführer der Fa. ViMo GmbH, Fürstenau) beim digitalen „CAMPUS Lymphologicum 2022“ am 5.3.2022 gehalten hat. Der Text wurde auch in der Zeitschrift „Lympholife spezial“ des Lymphologicum e.V. im Februar 2022 veröffentlicht.

 

Das 2017 in Kraft getretene Heilmittelversorgungsgesetz (HHVG) kam zunächst mit einer guten Nachricht um die Ecke: Für Ärztinnen und Ärzte wurde noch einmal festgeschrieben, dass die Verordnung von Hilfsmitteln nicht der Budgetierung unterliegt. Diese Regelung gilt also auch bei der Verordnung von Medizinischen Kompressionsstrümpfen (MKS) – sowohl rundgestrickt als auch flachgestrickt.

Dennoch bleibt es bei der Verordnung von Hilfsmitteln für Ärztinnen und Ärzte wie verzwickt: Unabhängig von der Budgetfreiheit ist nach wie vor das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Auf der anderen Seite besteht die Pflicht, die Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen. Und auf beiden Seiten bleiben Haftungsfallen: Entweder droht eine Schmerzensgeldforderung wegen Behandlungsfehlern oder eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der KV.

Aber es gibt Wege aus dieser Zwickmühle für die Ärzteschaft: Entscheidend sind in den meisten Fällen eine vollständige Aufklärung über Behandlungsalternativen und deren Kosten zum einen und eine gute Dokumentation von Praxisbesonderheiten zum anderen.

Der Konflikt

Es geht für Vertragsärzt/innen immer darum, indikationsgerecht und gleichzeitig wirtschaftlich zu verordnen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V lautet wie folgt:

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

Bei der Verordnungspraxis im lymphologischen Bereich gerät wohl so ziemlich jede Ärztin / jeder Arzt an Grenzen: Für viele Hilfsmittel setzen die Krankenkassen Festbeträge fest, mit denen aber eine wirklich notwendige, den fachmedizinischen Standards entsprechende Versorgung kaum bis überhaupt nicht möglich ist.

Zudem dürfte eine nur „ausreichende“ Versorgung oftmals dem Selbstverständnis der Ärzteschaft widersprechen: Immerhin soll nach dem hippokratischen Eid bzw. dem Genfer (Ärzte-)Gelöbnis die Erhaltung u. Wiederherstellung der Gesundheit der Patienten oberstes Gebot des ärztlichen Handelns sein.

Wenn mit einer nur ausreichenden und unbedingt notwendigen Versorgung im Sinne des § 12 SGB V die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit aus fachmedizinischer Sicht kaum gewährleistet werden kann, mit einer hochwertigeren, dann jedoch nicht mehr wirtschaftlichen Versorgung aber schon, wie habe ich mich dann als Ärztin / als Arzt zu verhalten?

Wege aus der Behandlungsfehlerhaftung

Es mehren sich die Fälle vor Gericht, in denen Patientinnen oder Angehörige ihren Ärzten vorhalten, sie nicht fachmedizinisch korrekt behandelt zu haben. Das betrifft auch Fälle, in denen die Behauptung aufgestellt wird, man sei nicht über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Hätte man gewusst, dass es auch eine – wenn auch mit eigenen Kosten verbundene – bessere Versorgungsmöglichkeit gab, wäre man diesen Weg gegangen und hätte sich dank der besseren Versorgung gesundheitliches Leiden erspart. Für diese zusätzlichen Leiden wird Schmerzensgeld von der Ärztin / vom Arzt oder auch vom Sanitätshaus gefordert.

Auf Behandlerseite reicht es nach ständiger Rechtsprechung und auch nach den gesetzlichen Vorgaben zum Behandlungsvertrag in §§ 630a ff. BGB haftungsrechtlich nicht aus, sich darauf zu berufen, man habe doch das Wirtschaftlichkeitsgebot einhalten müssen und nur die von der Krankenkasse vorgegebene Verordnungspraxis eingehalten. Es kommt darauf an, die Patientin vor der Verordnung von Hilfsmitteln korrekt über die verschiedenen Möglichkeiten, deren unterschiedliche Wirkung und deren Kosten in Kenntnis zu setzen. Warum ist das so?

Das Gesetz legt den Behandelnden auf, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme die Einwilligung der Patientin einzuholen. Ohne wirksame Einwilligung ist die Maßnahme rechtswidrig. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist eine vorhergehende ordnungsgemäße Aufklärung. Dazu gehört die Information über die wesentlichen Umstände,

„insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie.“

So steht es in § 630e Abs.1 BGB. Der Absatz geht aber noch weiter:

„Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“

Konservative Maßnahmen sind in gleichem Maße aufklärungspflichtig wie operative Eingriffe. Die Verordnung einer Rundstrickversorgung kann im Einzelfall also nur dann rechtmäßig sein, wenn auch ein Hinweis auf die alternative Möglichkeit einer Flachstrickversorgung erfolgt ist.

Ein weiterer springender Punkt für die Behandelnden: Was sage ich der Patientin zu den Kosten, von denen ich weiß, dass die gesetzliche Krankenversicherung sie nicht vollständig übernimmt? Auch hier hilft ein Blick ins Gesetz. § 630c Abs.3 BGB sagt dazu:

„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.“

An dieser Stelle ist die Aufgabenverteilung zwischen verordnender Arztpraxis und versorgendem Sanitätshaus entscheidend: Die Sanitätshäuser schließen mit den Krankenkassen Verträge über die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 127 SGB V ab. Darin ist regelmäßig die Verpflichtung der Sanitätshäuser enthalten, den Kundinnen unterschiedliche Versorgungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sprich: die Kassenleistung ohne Zuzahlung zum einen, die zuzahlungspflichtigen Möglichkeiten zum anderen.

Dies entbindet die Ärztinnen und Ärzte aber nicht davon, die Patientinnen schon im Vorfeld bei der Verordnung von MKS zumindest in groben Zügen über Alternativen und Kosten zu informieren. Wird z.B. eine Flachstrickversorgung empfohlen und Kompressionsklasse, Länge, Maß und Aufbau konkret verordnet, muss darauf hingewiesen werden, dass es zu einem eigenen Kostenanteil kommen kann.

Werden solche Information von den Behandelnden ordnungsgemäß dokumentiert, ist der Aufklärungspflicht genüge getan und das Haftungsrisiko minimiert. Die Einzelheiten zur Kostentragungspflicht klärt das Sanitätshaus mit der Krankenkasse ab.

Wege aus der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Die allermeisten Ärztinnen und Ärzte werden es längst wissen und evtl. schon am eigenen Leib bzw. in der eigenen Praxis erfahren haben: Die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots unterliegt einer gesetzlich vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§§ 106 und 106b SGB V).

Bei diesem Begriff schrillen regelmäßig die Alarmglocken: Bloß kein Regress! Tatsächlich ist ein Regress im Sinne einer Nachforderung oder Kürzung nur als Maßnahme für „Wiederholungstäter“ vorgesehen. Bei erstmaliger Auffälligkeit bei statistischen Prüfungen erfolgt zunächst eine individuelle Beratung, bevor weitere Maßnahmen festgesetzt werden. Und: Eine festgesetzte Maßnahme ist nach 5 Jahren verjährt. Das heißt: Ein Arzt, bei dem vor mehr als 5 Jahren eine Maßnahme festgesetzt wurde, gilt bei erneuter Auffälligkeit wieder als „erstmalig auffällig“ und erhält zunächst erneut eine „Beratung vor weiteren Maßnahmen“.

Zudem ist dem Schreckgespenst des Regresses auch gesetzlich vor einigen Jahren ein wenig die Drohkulisse genommen worden: Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde zum 1. Januar 2017 die bis dahin als Regelprüfmethode vorgesehene Richtgrößenprüfung (Auffälligkeitsprüfung) abgelöst und die Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung insgesamt neu strukturiert.
Die Prüfung erfolgt nun anhand von zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen getroffenen Prüfvereinbarungen. Bei der Ausgestaltung der Prüfungen einschließlich des Prüfgegenstandes sind die regionalen Vertragspartner grundsätzlich frei. Die Prüfmethode kann deshalb regional variieren. Deshalb sind zur konkreten Information die jeweiligen Prüfvereinbarungen zu berücksichtigen.

Und hier kommen wir zum entscheidenden Punkt: Praxen mit lymphologischem Schwerpunkt haben natürlich in genau diesem Bereich ein zum Teil erheblich über dem Fachgruppenschnitt liegendes Verordnungsaufkommen. Das ist eine sogenannte Praxisbesonderheit. Solche Besonderheiten werden im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannt und berücksichtigt. Wer eine Praxisbesonderheit nachweisen kann, unterliegt keinem Kürzungsrisiko.

In § 13 der niedersächsischen Prüfvereinbarung (Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit – Prüfvereinbarung ab 2017 in der Fassung mit Wirkung ab 31.08.2021 zwischen KVN und GKV) wird der Begriff der Praxisbesonderheiten als objektive Gegebenheiten definiert,

„welche für die Vergleichsgruppe von der Art oder dem Umfang her atypisch sind und kausal einen höheren Behandlungsaufwand und/oder erhöhte Verordnungskosten hervorrufen. Sie sind regelmäßig durch eine bestimmte Patientenstruktur charakterisiert. Wird eine Praxisbesonderheit mit besonderen Kenntnissen oder mit einer besonderen Praxisausstattung begründet, setzt die Anerkennung durch die Prüfungsstelle oder dem Beschwerdeausschuss den Nachweis voraus, dass diese Besonderheiten zu einer entsprechenden Konzentration von Patienten geführt haben, die dieser Besonderheiten bedürfen.“

Und weiter:

„Die Prüfungsstelle oder der Beschwerdeausschuss haben allen Hinweisen auf Praxisbesonderheiten des überprüften Vertragsarztes nachzugehen, soweit diese ihnen aus den Unterlagen oder in sonstiger Weise bekannt sind oder soweit sie vom überprüften Vertragsarzt konkret und nachvollziehbar geltend gemacht werden. Für die geltend gemachten Praxisbesonderheiten trägt der Vertragsarzt die Beweislast.“

Ganz ähnliche Prüfvereinbarungen zwischen KV und GKV-Landesverbänden existieren in allen Bundesländern.

Entscheidende Frage: Wie komme ich meiner Beweislast nach?

Der Nachweis einer besonderen Qualifizierung im Bereich Lymphologie, die eine Konzentration von Patientinnen mit speziellem Versorgungsbedarf mit sich bringt, ist nicht alles.

Wie eingangs schon erwähnt: Es kommt vor allem auf die Dokumentation an. Wichtig sind konkrete und vollständige Aufzeichnungen, anhand derer die Patientenstruktur nachvollziehbar wird. Am einfachsten wird dabei regelmäßig das Vorhalten einer Auflistung der Verordnungen nach ICD10-Codes (Beinvenenthrombose, Lipödem, Lymphödem etc.) sein. Das bedeutet: Die richtige, sorgfältige ICD-Codierung zur passenden Diagnose ist die halbe Miete!

Eine sorgfältige Dokumentation ist also das Mittel der Wahl, um die Prüfungsstelle von einer Praxisbesonderheit der lymphologischen Versorgung zu überzeugen und jeglichen Maßnahmen der Prüfungsstelle zu entgehen.

Fazit und Ausblick

Aus haftungsrechtlicher ist damit festzuhalten: Keine Angst vor einer fachlich hochwertigen lymphologischen Versorgung!

Das sollte auch in Anbetracht der teilweise widriger werdenden Umstände das Motto der näheren Zukunft sowohl für die Ärzteschaft als auch für die Sanitätshäuser sein.

Aus Sicht der Kassen wird es eher in die andere Richtung gehen: Solange der demografische Wandel mit der Berentung der Baby-Boomer-Generation nicht abgeschlossen ist (was noch bis ca. 2050 dauern wird), werden absehbarerweise Kassenleistungen gekürzt bzw. unerträglich niedrige Festpreise durchgedrückt. Patienten werden bereit sein müssen, Eigenanteile zu erbringen. Das wird nicht nur den Bereich der lymphologischen Versorgung betreffen, sondern auch die Bereiche Inkontinenz, Stoma, Einlagen oder Rollatoren.

Trotzdem: Nicht nur zur Haftungsvermeidung gebietet es schon das Streben nach bestmöglicher gesundheitlicher Behandlung wie auch die Würde der Patientinnen und Patienten, auf Alternativen zu einer nur „ausreichenden“ Versorgung hinzuweisen.

Und wer weiß: Bei der Liposuktion bewegt sich dank des öffentlichen Drucks langsam etwas. Warum sollte das mit konsequenter Lobbyarbeit nicht auch in anderen Bereichen der Lymphologie möglich sein?

Rücksichtnahme beim Hallensport – Amateurfußballer haftet für Kopftreffer

von Timm Laue-Ogal

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat ein Urteil zu einem besonderen „Sportunfall“ im Landkreis Cloppenburg veröffentlicht.

Beim Aufwärmen vor dem Hallentraining seiner Altherrenmannschaft hatte ein Spieler eine Frau mit einem verunglückten Torschuss am Kopf getroffen. Sie wartete neben dem Tor auf ihre Tochter, die vorher mit ihrem Team dort trainiert hatte, und zog sich durch den Treffer erhebliche Kopfverletzungen zu.

„… mit einiger Kraft geschossen … den Ball nicht nur Richtung Tor gelupft …“

Das Landgericht Oldenburg hatte die Klage der Frau noch abgewiesen. Das OLG hob das Urteil auf und entschied, dass der beklagte Spieler zu 70 % für den Schaden haftet. Der Spieler hätte vor seinem eigentlichen Training besondere Rücksicht auf andere anwesende Personen nehmen müssen. Er habe aber – wie die Beweisaufnahme ergab – fahrlässig und außerhalb des erlaubten Risikos gehandelt, weil er „mit einiger Kraft“ geschossen und „den Ball nicht nur Richtung Tor gelupft“ habe.

Mitverschulden: Geschädigte hätte sich entfernen können

Allerdings muss die klagende Frau sich ein Mitverschulden von 30 % zurechnen lassen. Sie hätte erkennen müssen, dass bereits Torschüsse abgegeben werden und sich deshalb aus dem Bereich des Tores entfernen können, so das OLG.

Die Entscheidung des OLG Oldenburg wägt die jeweiligen Rücksichtnahmegebote beim Hallensport angemessen gegeneinander ab. Zuschauer müssen wissen, dass sie sich am Spielfeldrand in eine gewisse Gefahrenlage begeben. Sportler aber haben gleichzeitig auf Zuschauer zu achten, solange ihr eigentliches Training nicht begonnen hat.

Wie viel der Fußballer der verletzten Frau zu zahlen hat, ist noch offen. Zur Klärung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das OLG das Verfahren an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal rät: „Sport ist gesund, aber Verletzungen passieren. Gegenseitige Rücksichtnahme hilft nicht nur, unnötige Gefahren zu vermeiden, sondern schont auch den Geldbeutel. Wenn es mal schiefgeht: Lassen Sie sich kompetent beraten!“

Befunderhebungsfehler durch Amtsarzt bei Nichtgenehmigung von MRT-Untersuchung nach Empfehlung der Hausärztin

von Timm Laue-Ogal, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Wenn eine Asylbewerberin sich mit der Empfehlung ihrer Hausärztin für eine MRT-Untersuchung beim Amtsarzt vorstellt, hat der diese Diagnostik grundsätzlich zu genehmigen. Lehnt er sie ab, stellt das einen Befunderhebungsfehler dar. Dies haben sowohl das Landgericht Osnabrück als auch das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

Die Patientin klagte über zunehmende Kopfschmerzen im Bereich der rechten Gesichtshälfte. Ihre Hausärztin verordnete eine Überweisung zum Radiologen für eine MRT-Aufnahme des Schädels. Wegen der Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes musste die Patientin zunächst die Genehmigung des Amtsarztes für die Untersuchung einholen. Der Amtsarzt des Landkreises verweigerte der Patientin die amtliche Kostenübernahme für die MRT-Diagnostik. Es handelte sich seiner Meinung nach um normale Kopfschmerzen, die nicht weiter abklärungsbedürftig seien. Eine radiologische Untersuchung ihres Kopfes wurde deshalb nicht durchgeführt.

Ein halbes Jahr später traten bei der Patientin epileptische Anfälle auf. Eine jetzt notfallmäßig durchgeführte MRT-Aufnahme zeigte einen langsam wachsenden Hirntumor, der operativ entfernt werden konnte. Das Anfallsleiden der Patientin blieb aber bestehen.

Mit Ihrer beim Landgericht Osnabrück eingereichten Klage fordert die Patientin Schmerzensgeld vom Landkreis, für den der Amtsarzt tätig – bzw. untätig – war. Das Landgericht Osnabrück hat nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten die Ansicht der Klägerin bestätigt, dass der Amtsarzt die MRT-Diagnostik hätte genehmigen müssen. Dann wäre der Hirntumor erheblich früher erkannt und operiert worden. Es sei zu unterstellen, dass es dann nicht zu den späteren epileptischen Anfällen gekommen wäre, da es sich dabei um eine typische Folge des Hirntumors handele.

Diese Entscheidung ist jetzt vom Oberlandesgericht Oldenburg gehalten worden. Die Parteien streiten derzeit noch über die Höhe des Schmerzensgeldes, das die Patientin verlangen kann.