Bundearbeitsgericht zu den Grenzen des Hausrechts eines Arbeitgebers
Was ist erlaubt im Arbeitskampf?
von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier
Der Hintergrund
Tarifverträge werden zwischen Arbeitgeberverbänden / Arbeitgebern und Gewerkschaften abgeschlossen. Den im Tarifvertrag enthaltenen Bestimmungen kommt normative Wirkung zu. Das bedeutet der Inhalt eines Tarifvertrags wirkt (betreffend die Rechtsnormen) wie ein Gesetz für beiderseits tarifgebundene Rechtssubjekte. Weil die Gewerkschaftszugehörigkeit von Mitarbeiter:innen nicht bekannt sein muss, gelten die Bestimmungen vieler Tarifverträge aufgrund von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln auch für Arbeitsverhältnisse nicht tarifgebundener Arbeitnehmer:innen. Der Gesetzgeber hält sich bei der Festlegung dieser Arbeitsbedingungen heraus und überlässt die Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen an dieser Stelle den Sozialpartnern. Der konkrete Inhalt eines Tarifvertrags wird dabei im Rahmen von Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien erstritten. Um die jeweiligen Positionen durchsetzen zu können und den Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden Tarifvertragsverhandlungen – je nach Branche intensiver oder weniger intensiv – durch Arbeitskampfmaßnahmen begleitet. Auf Seiten der Arbeitgeber kommt hier die Aussperrung in Betracht, auf Seiten der Gewerkschaften der Streik. Im Zusammenhang mit diesen Arbeitskampfmaßnahmen stellen sich immer wieder Fragen, welche Maßnahmen zulässig sind.
In dem konkreten Fall ging es um ein Unternehmen, das einen Betrieb in einem örtlichen Gewerbegebiet unterhielt und dort für einen Online-Handel die Lagerung und den Versand unterschiedlicher Waren durchführte. Der Zugang der Mitarbeiter:innen zu dem Betrieb erfolgte über ein Tor, das sich unmittelbar an einem großen Parkplatz befunden hat. Der Parkplatz wurde von dem Arbeitgeber für die Mitarbeiter:innen zur Verfügung gestellt und war durch Schilder als Privatgrundstück gekennzeichnet. Auch wies das Schild darauf hin, dass das Betreten des Parkplatzes für Unbefugte nicht erlaubt sei.
An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurde der Parkplatz bestreikt. Die am Rechtsstreit beteiligte Gewerkschaft hatte zu diesem Streik aufgerufen, mit der Zielsetzung einen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber zu schließen. Am ersten Tag der Streikmaßnahme bauten Mitglieder der Gewerkschaft Stehtische unmittelbar vor dem Tor auf dem Parkplatz auf und verteilten Trommeln und Tonnen. Gemeinsam mit den streikenden Gewerkschaftsmitgliedern verteilten Sie Flyer und forderten Mitarbeiter:innen auf, sich am Streik zu beteiligen. Arbeitswillige Mitarbeiter:innen mussten dabei durch die streikende Menge hindurchlaufen, um das Betriebsgelände zu erreichen.
Der Arbeitgeber forderte die Streikenden vergeblich auf das Betriebsgelände zu verlassen. Der Arbeitgeber vertragt im Rechtsstreit die Auffassung, dass im Rahmen der unternehmerischen Betätigungsfreiheit die Nutzung des Parkplatzes untersagt werden dürfe und die Gewerkschaft auch im öffentlichen Bereich – also der Zufahrt zum Parkplatz – nicht streikende Arbeitnehmer:innen ansprechen dürfe.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidungsfindung die besitzrechtlichen Ansprüche der Arbeitgeberin mit dem Recht auf Ausübung der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG abgewogen. Das BAG stellt fest, dass der Arbeitgeberin ein Hausrecht zusteht, welches auch ihre grundsätzliche Entscheidungsfreiheit über Zutrittsgewährungen zu dem von ihr vorgehaltenen Parkraum einschließt.
Im Hausrecht drückt sich die Befugnis des Eigentümers oder Besitzers aus, mit der Sache prinzipiell nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen. Diese Befugnis resultiert ihrerseits – ungeachtet einer einfach-rechtlichen Stellung als Eigentümer oder Besitzer – aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
Das BAG stellt darauf ab, dass die Maßnahmen der Gewerkschaft darauf ausgerichtet waren auf die arbeitswillige Belegschaft Druck auszuüben und diese zu motivieren die Arbeit ebenfalls niederzulegen, sodass der Betriebsablauf bei der Arbeitgeberin gestört wird. Das BAG hat hierin tatsächlich eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Arbeitgeberin aus Art. 12 GG gesehen, jedoch keine Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit der Arbeitgeberin aus Art. 9 Abs. 3 GG. Das BAG begründet diesen Umstand damit, dass durch den Streik kein Zwang auf Seiten der Arbeitgeberin begründet wird, einen Tarifvertrag auch tatsächlich abzuschließen. Der Gesetzgeber geht in § 2 Abs. 1 TVG davon aus, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften sich auf Augenhöhe begegnen, was die arbeitskampfbezogene Machtposition betrifft. Auch betont das BAG, dass Gewerkschaften eine wirkungsvolle Interessendurchsetzung nur möglich ist, wenn sie ihren Forderungen durch Streiks Nachdruck verleihen kann. Dazu zählt auch das Ansprechen nicht am Streik beteiligter Arbeitnehmer:innen.
Im Ergebnis hat das BAG den Streikt als rechtmäßig beurteilt und die Einschränkungen der Arbeitgeberin so qualifiziert, dass diese in der konkreten Situation hinzunehmen waren. Der eigentliche Zweck des Parkplatzes – nämlich das Abstellen von Fahrzeugen – wurde durch den Streikt nicht beeinträchtigt. Denn der tatsächliche Streik konzentrierte sich auf eine verhältnismäßig kleine Fläche auf dem Parkplatz. Wegen der konkreten örtlichen Verhältnisse war es der Gewerkschaft nur am Betriebstor möglich, auf arbeitswillige Arbeitnehmer:innen zuzugehen, sodass ein Verweis auf den öffentlichen Raum vor dem Parkplatz die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Arbeitnehmer:innen nicht ermöglicht hätte. Diese Kontaktaufnahme, um weitere Arbeitnehmer:innen zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen ist indessen unumgänglich um den nötigen Druck auf die Arbeitgeberin aufzubauen und so die Aufnahme von Tarifverhandlungen zu erzwingen.
Das Bundesarbeitsgericht unterstreicht jedoch, dass die Beurteilung stets anhand der jeweiligen konkreten Umstände jedes Einzelfalls zu treffen ist und stets die jeweiligen Positionen zu bewerten sind.
Auswirkungen auf das konkrete Arbeitsverhältnis
Auch wenn diese Entscheidung primär die Tarifvertragsparteien betroffen hat, führt die Entscheidung des BAG zu mittelbaren Auswirkungen auf jedes betroffene Arbeitsverhältnis im Unternehmen. Denn nur der rechtmäßige Streik suspendiert die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Im Falle eines rechtswidrigen Streiks ist dies nicht der Fall, sodass auch arbeitsrechtliche Konsequenzen nicht ausgeschlossen sind.