von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

Nicht nur auf den öffentlichen Straßen der Stadt Osnabrück drohen Radfahrerinnen und Radfahrer tödliche Gefahren. Auch abseits der von Kraftfahrzeugen genutzten Straßen und Wege sind Radler:innen nicht sicher, wie sich aus einem jüngst ereigneten Zwischenfall im Südkreis der Stadt Osnabrück gezeigt hat:

Ein Mountainbiker war auf einem Fahrradtrail im Dörenberg unterwegs. Auf seinem Weg den Berg hinab passierte er einen kleinen Sprung über eine Baumwurzel. Mitten im Sprung wurde er von Stacheldraht gestoppt, der etwa auf Brusthöhe zwischen zwei Bäumen gespannt war. Nur durch allergrößtes Glück ist der Radler am Leben und von schlimmsten Verletzungen verschont geblieben.

Ganz offensichtlich ist der Stacheldraht genau zu diesem Zweck dort angebracht worden. Eine andere rationale Erklärung für das Vorhandensein eines Stacheldrahtes ist an besagter Stelle nicht im Ansatz zu erkennen. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle die Tatsache, dass sich der Tatort auf einem nicht legalen Fahrradtrail befindet. Dieser Umstand legt indes erst recht die Vermutung einer absichtlich installierten Drahtfalle nahe, mit dem Zweck, verbotswidrig agierende Radler zu „erziehen“.

Dabei übersehen der/die Täter offenbar die Tragweite ihrer „Erziehungsmaßnahme“ nicht einmal im Ansatz. So verständlich der Ärger von Waldbesitzern bzw. Waldnutzern auch sein mag, wenn Mountainbiker auf nicht für sie genehmigten Strecken im Wald unterwegs sind, ein Kavaliersdelikt ist die Installation derartiger Drahtfallen keinesfalls. Tatsächlich dürfte durch eine solche Stacheldrahtfalle der Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung immer dann erfüllt sein, wenn ein Dritter, egal ob zu Fuß oder mit dem Rad durch die Stacheldrahtfalle körperlichen Schaden nimmt. Der Eintritt eines ganz erheblichen körperlichen Schadens ist dabei absolut im Bereich des Möglichen und damit auch Erwartbaren, wie das Urteil des BGH aus dem Jahre 2020 zeigt. In jenem Fall ist ein Radfahrer aufgrund eines über einen Feldweg gespannten Drahtes gestürzt. Infolge seiner schwerwiegenden Verletzungen ist der Mann seither querschnittsgelähmt (vgl. Urteile vom 23. April 2020 – III ZR 250/17 und III ZR 251/17). Das Gericht erteilte einem erheblichen Mitverschulden des Radfahrers eine Absage:

Ein Radfahrer ist nicht verpflichtet, lückenlos den unmittelbar vor seinem Rad liegenden Bereich noch gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen, die – bei an sich übersichtlicher Lage – aus größerer Entfernung noch nicht zu erkennen waren (OLG Hamm NJW-RR 2010, 33, 35). Das gilt insbesondere für einen über einen Wald- oder Wiesenweg gespannten Draht (vgl. OLG Köln, VersR 1998, 860).

Dieses Beispiel zeigt, dass ein jeder, der solche Drahtfallen installiert, schwerste Verletzungen Dritter bis hin zur möglichen Todesfolge billigend in Kauf nimmt. Wenn man zudem die Heimtücke bedenkt, mit der die Stacheldrahtfalle mitten im Sprung in etwa auf Brusthöhe installiert wurde, steht allein durch die Installation einer solchen Drahtfalle der Vorwurf eines versuchten Mordes im Raum.

Dabei kann sich der/die Täter auch nicht darauf berufen, dass der Radler dort gar nicht unterwegs sein durfte; denn jedenfalls im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung ist der Umstand der verbotswidrigen Nutzung des Waldes durch den Radler ohne Belang, da sich daraus weder Notwehr noch entschuldigender Notstand als Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe zu Gunsten des Täters ergeben können.

Wer also derartige Drahtfallen installiert, setzt sich der Strafbarkeit wegen versuchten Mordes aus, und zwar auch dann, wenn kein Radler in die Falle tappt. Grundsätzlich droht dem Täter dabei auch bei einem Mordversuch eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Wenn einem Fallensteller das Leben und die Gesundheit anderer auch gleichgültig ist, sollte er sich doch schon aus eigenem Interesse fragen, ob es nicht sinnvollere und weniger risikoreiche Alternativen gibt, dem Problem der verbotswidrigen Wald- und Wegnutzung zu begegnen.