rechtskontor49 beim Bundesverfassungsgericht: Sport- und Ausgangsbeschränkung auf dem Prüfstand

Am Donnerstag, 22.4.2021, hat Rechtsanwalt Henning J. Bahr für die Rechtsanwälte im rechtskontor49 und zwei weitere Antragsteller*innen einen Antrag auf vorläufige Aussetzung einiger Regelungen aus dem Vierten Bevölkerungsschutzgesetz, mit denen das Infektionsschutzgesetz (IfSG) um die sogenannte Bundesnotbremse erweitert werden soll, beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Der Antrag richtet sich gegen die Ausgangsbeschränkungen zur Nachtzeit und um die Einschränkung sportlicher Betätigung auch im Freien auf bis zu zwei Personen oder Angehörige des gleichen Haushaltes.

Wir sind der Meinung, dass die Maßnahmen die Grundrechte unnötig einschränken und bei der Infektionsbekämpfung im Verhältnis dazu wenig Auswirkungen haben. Denn die Anstreckungsgefahr im Freien ist extrem gering. Natürlich ist auch uns klar, dass die Ausgangsbeschränkungen vor allem die anderen Kontaktregelungen leichter kontrollierbar machen sollen. Aber so weitreichende Maßnahmen brauchen mehr Begründung als die Erleichterung staatlicher Arbeit. Ein Spaziergang zur Nachtzeit sollte kein Grund sein, irgendjemanden kontrollieren zu müssen.

Wir berichten über die weiteren Entwicklungen.

Wer darf trotz Ausgangsbeschränkung raus? Wir bieten Lösungen!

In unserem Bereich FAQ & Downloads bieten wir Ihnen unter „Nützliches bei Ausgangsbeschränkungen – Bundesnotbremse“ unser Formular für den Passierschein A 38 an. Damit können Arbeitgeber*innen, Ärzt*innen und andere Personen oder Stellen bestätigen, dass ein Aufenthalt außerhalb der Wohnung einem der erlaubten Zwecke dient, wenn die Ausgangsbeschränkungen nach §§ 28a, 28b des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingreifen. Das Dokument ist keine Garantie, kann aber bei einer Kontrolle helfen, die Gründe zu belegen.

Außerdem ist es natürlich auch etwas humorvoll gemeint – denn den Humor sollten wir alle auch in der Pandemie nicht verlieren!

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

 

Unser neues Homepage-Angebot ist online: „FAQ & Downloads“ beantwortet häufig gestellte Fragen und bietet Formulare, Nützliches und Informationen für Sie! Schauen Sie öfter mal wieder herein, der Bereich wird ständig erweitert.

Rücksichtnahme beim Hallensport – Amateurfußballer haftet für Kopftreffer

von Timm Laue-Ogal

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat ein Urteil zu einem besonderen „Sportunfall“ im Landkreis Cloppenburg veröffentlicht.

Beim Aufwärmen vor dem Hallentraining seiner Altherrenmannschaft hatte ein Spieler eine Frau mit einem verunglückten Torschuss am Kopf getroffen. Sie wartete neben dem Tor auf ihre Tochter, die vorher mit ihrem Team dort trainiert hatte, und zog sich durch den Treffer erhebliche Kopfverletzungen zu.

„… mit einiger Kraft geschossen … den Ball nicht nur Richtung Tor gelupft …“

Das Landgericht Oldenburg hatte die Klage der Frau noch abgewiesen. Das OLG hob das Urteil auf und entschied, dass der beklagte Spieler zu 70 % für den Schaden haftet. Der Spieler hätte vor seinem eigentlichen Training besondere Rücksicht auf andere anwesende Personen nehmen müssen. Er habe aber – wie die Beweisaufnahme ergab – fahrlässig und außerhalb des erlaubten Risikos gehandelt, weil er „mit einiger Kraft“ geschossen und „den Ball nicht nur Richtung Tor gelupft“ habe.

Mitverschulden: Geschädigte hätte sich entfernen können

Allerdings muss die klagende Frau sich ein Mitverschulden von 30 % zurechnen lassen. Sie hätte erkennen müssen, dass bereits Torschüsse abgegeben werden und sich deshalb aus dem Bereich des Tores entfernen können, so das OLG.

Die Entscheidung des OLG Oldenburg wägt die jeweiligen Rücksichtnahmegebote beim Hallensport angemessen gegeneinander ab. Zuschauer müssen wissen, dass sie sich am Spielfeldrand in eine gewisse Gefahrenlage begeben. Sportler aber haben gleichzeitig auf Zuschauer zu achten, solange ihr eigentliches Training nicht begonnen hat.

Wie viel der Fußballer der verletzten Frau zu zahlen hat, ist noch offen. Zur Klärung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das OLG das Verfahren an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal rät: „Sport ist gesund, aber Verletzungen passieren. Gegenseitige Rücksichtnahme hilft nicht nur, unnötige Gefahren zu vermeiden, sondern schont auch den Geldbeutel. Wenn es mal schiefgeht: Lassen Sie sich kompetent beraten!“

rechtskontor49 konnte für einen Mandanten einen Erfolg erzielen, der für ganz Niedersachsen Bedeutung hat: Auf Antrag von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M., hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg die Regel, dass sich privat nur maximal fünf Personen aus zwei Haushalten treffen dürfen, teilweise aufgehoben. Zwar bleibt es bei der Beschränkung auf zwei Haushalte, die Obergrenze ist aber nicht mehr anzuwenden.

Presseinformation des Nds. OVG

Medienbericht NDR

 

 

Befunderhebungsfehler durch Amtsarzt bei Nichtgenehmigung von MRT-Untersuchung nach Empfehlung der Hausärztin

von Timm Laue-Ogal, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Wenn eine Asylbewerberin sich mit der Empfehlung ihrer Hausärztin für eine MRT-Untersuchung beim Amtsarzt vorstellt, hat der diese Diagnostik grundsätzlich zu genehmigen. Lehnt er sie ab, stellt das einen Befunderhebungsfehler dar. Dies haben sowohl das Landgericht Osnabrück als auch das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

Die Patientin klagte über zunehmende Kopfschmerzen im Bereich der rechten Gesichtshälfte. Ihre Hausärztin verordnete eine Überweisung zum Radiologen für eine MRT-Aufnahme des Schädels. Wegen der Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes musste die Patientin zunächst die Genehmigung des Amtsarztes für die Untersuchung einholen. Der Amtsarzt des Landkreises verweigerte der Patientin die amtliche Kostenübernahme für die MRT-Diagnostik. Es handelte sich seiner Meinung nach um normale Kopfschmerzen, die nicht weiter abklärungsbedürftig seien. Eine radiologische Untersuchung ihres Kopfes wurde deshalb nicht durchgeführt.

Ein halbes Jahr später traten bei der Patientin epileptische Anfälle auf. Eine jetzt notfallmäßig durchgeführte MRT-Aufnahme zeigte einen langsam wachsenden Hirntumor, der operativ entfernt werden konnte. Das Anfallsleiden der Patientin blieb aber bestehen.

Mit Ihrer beim Landgericht Osnabrück eingereichten Klage fordert die Patientin Schmerzensgeld vom Landkreis, für den der Amtsarzt tätig – bzw. untätig – war. Das Landgericht Osnabrück hat nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten die Ansicht der Klägerin bestätigt, dass der Amtsarzt die MRT-Diagnostik hätte genehmigen müssen. Dann wäre der Hirntumor erheblich früher erkannt und operiert worden. Es sei zu unterstellen, dass es dann nicht zu den späteren epileptischen Anfällen gekommen wäre, da es sich dabei um eine typische Folge des Hirntumors handele.

Diese Entscheidung ist jetzt vom Oberlandesgericht Oldenburg gehalten worden. Die Parteien streiten derzeit noch über die Höhe des Schmerzensgeldes, das die Patientin verlangen kann.

Der 27.Januar markiert einen besonderen Tag in der deutschen Geschichte. Heute jährt sich der bundesweite Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Vor 76 Jahren wurden am 27. Januar 1945 die letzten Gefangen des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau befreit.

 

Die Verbrechen, das Leid und die unvorstellbaren Gräueltaten, die durch das NS-Regime verübt wurden, sind auch nach mehr als sieben Dekaden schwer in Worte zu fassen. Im gesamtgesellschaftlichen Kontext, aus der Mitte unserer pluralistischen und vielfältigen Gesellschaft, finden wir es gerade aus diesem Grund wichtig, den unzähligen Opfern zu gedenken und dadurch dem Vergessen vorzubeugen.

Gerade in der aktuell aufgewühlten Zeit ist es die Aufgabe von uns allen, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Hass entschieden entgegen zu treten. Diesen Beitrag darf, soll und muss jede/r Einzelne leisten.

Am 27. Januar werden als Zeichen des Gedenkens Stolpersteine geputzt. Wir würden uns freuen, wenn auch Sie sich an dieser Aktion beteiligen.

LAG Düsseldorf bestätigt Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung nach „Mitnahme“ von Desinfektionsmittel durch Arbeitnehmer trotz langer Betriebszugehörigkeit und verhältnismäßig geringem Schaden

(von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier)

 

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 14.01.2021 (Az.: 5 Sa 483/20) das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach (Urteil vom 01.07.2020 – 6 Ca 632/20) bestätigt und die außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitgebers als wirksam angesehen und die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Dabei stellt das Landesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung klar (das Urteil im Volltext lag im Zeitpunkt dieses Kommentars noch nicht vor), dass weder die lange Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers (in diesem Fall bestand das Arbeitsverhältnis seit 2004), noch der Wert des entwendeten Gegenstandes (ein Liter Desinfektionsmittel im Wert von ca. 40 EUR, sowie eine Papierhandtuchrolle) dazu führen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung hätte abmahnen müssen.

Das Gericht bestätigt damit Grundsätze, die schon länger gelten. Strafbare Handlungen eines Arbeitnehmers rechtfertigen regelmäßig die außerordentliche Kündigung, ohne dass es zuvor einer Abmahnung bedarf. Einschränkende Voraussetzung ist jedoch, dass die strafbare Handlung des Arbeitnehmers einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist. Fehlt es an dieser Voraussetzung kommt eine außerordentliche Kündigung im Regelfall erst dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Straftat seine (arbeits-)vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann. Auch das Bundesarbeitsgericht hat bereits früh darauf hingewiesen, dass Diebstähle zulasten des Arbeitgebers regelmäßig eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG Urt. v. 17.05.1984 – 2 AZR 3/83). Dem lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach eine Verkäuferin ein Stück Bienenstich im Wert von 60 Pfennig verzehrte. Das Bundesarbeitsgericht hielt die ausgesprochene fristlose Kündigung des Arbeitgebers für wirksam. Das BAG unterstreicht jedoch in neueren Entscheidungen, dass stets alle konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind und anhand einer umfassenden Prüfung (einschließlich Interessenabwägung) zu ermitteln ist, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung – wenigstens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – zumutbar ist. Das BAG weist darauf hin, dass dem Gesetz – auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen (wie etwa einem Diebstahl) keine absoluten Kündigungsgründe zu entnehmen sind (BAG Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09). Die Wirksamkeit der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung erfolgt dabei stets in zwei Schritten. Zunächst ist zu prüfen, ob das Fehlverhalten grundsätzlich einen wichtigen, zur fristlosen Kündigung berechtigenden Grund darstellt. Dies ist nach der Rechtsprechung bei strafbaren Verhaltensweisen zulasten des Arbeitgebers stets der Fall. In einem weiteren Schritt wird dann eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen. Dabei hat das BAG auch bereits vor der auch medial ausgiebig diskutierten „Emily-Entscheidung“ darauf hingewiesen, dass die Betriebszugehörigkeit oder der Wert des verursachten Schadens im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden können. Dies jedoch nur für die Frage, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann. (BAG Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 36/03).

In dem nun entschiedenen Fall wurde einem bei einem Paketzustellunternehmen seit dem Jahr 2004 angestellten Be- und Entlader, der auch für die Fahrzeugwäsche verantwortlich war, außerordentlich fristlos gekündigt. Im März 2020 wurde der Arbeitnehmer bei der stichprobenartig durchgeführten Kontrolle des Wachschutzes mit einer ungeöffneten Plastikflasche Desinfektionsmittel und einer Handtuchrolle angetroffen, die er in seinem Kofferraum verstaut hatte. Daraufhin kündigte das Unternehmen nach Anhörung des Betriebsrats und dessen Zustimmung das Arbeitsverhältnis außerordentlich, fristlos. Der Arbeitnehmer erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Der Arbeitnehmer verteidigte sich damit, dass er sich während der der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben habe, um seine Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Das Mittel habe er für sich und seine Kollegen verwenden wollen. Als er nach Feierabend nach Hause gefahren sei, habe er an die Gegenstände in seinem Kofferraum nicht mehr gedacht. Das LAG Düsseldorf folgte dieser Einlassung im Ergebnis nicht. Für das Gericht war nicht nachvollziehbar, weshalb der Arbeitnehmer das Desinfektionsmittel in seinem Kofferraum lagerte, statt es auf dem Materialwagen am konkreten Arbeitsplatz vorzuhalten. Der gekündigte Arbeitnehmer habe seinen Kollegen nicht mitgeteilt, wo sie das von ihm gelagerte Desinfektionsmittel auffinden könnten und ihnen nicht die Schlüssel zu seinem Auto gegeben. Gegen die Ausführungen des Arbeitnehmers sprach auch der Umstand, dass die Flasche mit dem Desinfektionsmittel nicht angebrochen war, als er das Betriebsgelände verlassen wollte.

Das LAG unterstreicht, dass trotz der langen Betriebszugehörigkeit eine vorherige Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich war. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Arbeitnehmer in einer Pandemiezeit, in der Desinfektionsmittel nicht in ausreichendem Maße verfügbar war und in Kenntnis des Umstandes, dass der Arbeitgeber ebenfalls mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, den Diebstahl beging, womit der Arbeitnehmer in Kauf nahm, dass seine Kollegen „leer ausgehen könnten“.

Das Urteil zeigt an einem aktuellen Beispiel, dass auch und gerade in der aktuellen Pandemiezeit arbeitsrechtliche Grundsätze uneingeschränkt weiter Geltung beanspruchen. Unabhängig vom Wert des entwendeten Gegenstandes und unabhängig von der Länge der Betriebszugehörigkeit, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. In der Pandemiesituation gewinnen diese Grundsätze, im Hinblick auf Kurzarbeit und den Verdienstausfall – sowohl auf Arbeitnehmer als auch auf Arbeitgeberseite – besondere Bedeutung. Die Einzelfallbetrachtung einer jeden Kündigung verbietet letztendlich pauschale Aussagen.

Aufgrund der (erforderlich gewordenen kurzfristigen) Reaktion der Arbeitgeber zu Beginn der Pandemie wird es auch darauf ankommen, wie die Bereitstellung von Desinfektionsmittel gegenüber den Arbeitnehmern kommuniziert worden ist. Sofern der Arbeitgeber bspw. kleine Fläschchen an jeden Arbeitnehmer verteilt und bei der Vergabe suggeriert diese seien zur freien Verwendung – also gerade nicht betriebsbezogen – verteilt worden, kann der oben beschriebene Fall grundsätzlich anders zu beurteilen sein.

 

(Kommentar zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 14.01.2021 – 5 Sa 483/20)

rechtskontor49 nimmt die Arbeit auf!