von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.

 

Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?

Die „Gretchenfrage“ (J. W. Goethe, Faust I, Vers 3415)

 

Am 6.4.2022 hatte das Bundesverwaltungsgericht laut Pressemitteilung Nr. 22/2022 über folgenden Streit zu entscheiden:

Gegenstand des Verfahrens ist eine kommunale Zuwendung zum Erwerb eines Pedelecs nach der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ der beklagten Stadt. Diese fordert eine „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“, mit welcher die/der Antragsteller:in erklärt, die Lehre von Scientology nicht anzuwenden, nicht zu verbreiten und auch keine Kurse oder Seminare der Organisation zu besuchen. Diese Erklärung gab die Klägerin nicht ab, die Stadt versagte die Förderung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen, der übergeordnete Verwaltungsgerichtshof hingegen im Berufungsverfahren Stadt verpflichtet, der Klägerin eine Förderzusage zu erteilen.

Diese oder ähnliche Programme zur Förderung des Radverkehrs gibt es in vielen Städten, so auch in Osnabrück für die Anschaffung von Lastenrädern.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Förderung nicht von der Abgabe der geforderten Erklärung abhängig gemacht werden darf. Zuwendungen und Förderungen dürfen die Kommunen – zu denen auch die beklagte Stadt gehört – nur im Rahmen der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gewähren, innerhalb dessen sie geschützt von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) in eigener Verantwortung tätig wird.

Dieser Rahmen werde überschritten, wenn die Kommune wie hier für die Bewilligung einer Zuwendung eine Distanzierungserklärung von welcher weltanschaulichen Ausrichtung auch immer verlangt. Dies greife in die Religionsfreiheit gem. Art. 4 GG ein, ohne dass es hierfür eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Rechtfertigung gebe. Außerdem sei die (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung im Sinne des Gleichheitsgrundrechts ein unzulässiges Differenzierungskriterium. Es bestehe kein Zusammenhang mit dem Förderungszweck.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu begrüßen, gleichgültig wie man zur Church of Scientology steht. Denn grundsätzlich könnte ansonsten jede Religion von derartigen Förderungen ausgeschlossen oder bestimmte Weltanschauungen bevorzugt werden. Dies ist mit einem säkularen Staat nicht vereinbar – umso überraschender ist es, dass dies einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedurfte und es innerhalb der Instanzen wenigstens das erstinstanzliche Verwaltungsgericht gab, das der beklagten Stadt recht gegeben hat!