Das Jahr 2025 bringt zwei wichtige Anpassungen im Arbeitsrecht, die Unternehmer und Beschäftigte kennen sollten!

Mindestlohn steigt auf 12,82 Euro

Zum 1.1-.2025 wurde der gesetzliche Mindestlohn auf 12,82 Euro brutto pro Stunde angehoben. Dies entspricht einer Steigerung von 41 Cent gegenüber dem Vorjahr (12,41 Euro). Diese Erhöhung wirkt sich direkt auf alle Beschäftigten aus, für die kein höherer Tarifvertrag gilt, und stellt die gesetzliche Untergrenze der Bezahlung dar.

Minijob-Grenze erhöht sich auf 556 Euro

Die Erhöhung des Mindestlohns hat automatisch eine Anpassung der Minijob-Grenze (Geringfügigkeitsgrenze) zur Folge. Die maximale Verdienstgrenze für einen Minijob liegt jetzt bei 556 Euro monatlich (zuvor 538 Euro).

Wichtig: Die Anpassung soll sicherstellen, dass Minijobber bei bis zu zehn Stunden je Woche nicht über die Geringfügigkeitsgrenze geraten, wenn der Mindestlohn gezahlt wird. Die maximale jährliche Verdienstgrenze für Minijobs liegt nun bei 6.672 Euro.

Tipps für Unternehmer

  • Überprüfen Sie alle Arbeitsverhältnisse, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Insbesondere geringfügig und kurzfristig Beschäftigte müssen den neuen Mindestlohn von 12,82 €/Stunde als Basislohn erhalten.
  • Passen Sie die maximale monatliche Arbeitszeit an die neue Grenze von 556 € an (z. B. auf maximal 12,82€/h556€​≈43,37 Stunden pro Monat). Eine Überschreitung der 556 € führt zur Sozialversicherungspflicht!
  • Führen Sie ein lükenloses, detailliertes und manipulationssicheres System zur Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Mindestlohnempfänger (inkl. Minijobber) ein. Pausenzeiten müssen klar abgezogen werden. Die Dokumentation ist mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
  • Nur Zahlungen, die die Gegenleistung für die normale Arbeitsleistung darstellen (z. B. der Grundlohn), dürfen auf den Mindestlohn angerechnet werden. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Schichtzulagen dürfen dies in der Regel nicht. Achten Sie darauf, dass der reine Stundenlohn immer mindestens 12,82 € beträgt.

Lassen Sie sich anwaltlich beraten:

Die Einhaltung des Mindestlohngesetzes wird durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung streng geprüft. Verstöße können massive Konsequenzen haben:

  • Hohe Bußgelder: Die Geldbußen können bis zu 500.000 Euro betragen.
  • Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen: Bei einer fehlerhaften Einstufung eines Minijobs kann die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen drohen.
  • Ausschluss von öffentlichen Aufträgen: Unternehmen, die gegen das Mindestlohngesetz verstoßen, können von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Weden Sie diese Folgen ab und vereinbaren Sie noch heute mit Ihrem Experten einen Termin.

von Rechtsanwältin Stephanie C. Eggert

 

Ich wollte in meiner Elternzeit wieder in Teilzeit anfangen. Mein Arbeitgeber lehnt das ab – darf er das?

Ja, das ist grundsätzlich möglich. Denn auch der Arbeitgeber hat ein schutzwürdiges Interesse an seiner Planungssicherheit.

Normalerweise haben Sie – sofern die Voraussetzungen vorliegen – einen starken Anspruch, in der Elternzeit in Teilzeit zu arbeiten.

Sie dürfen jedoch nicht den Fehler machen, den Arbeitgeber im Ungewissen zu lassen! Wenn Sie eine mögliche Teilzeittätigkeit in der Elternzeit in Betracht ziehen, teilen Sie dies dem Arbeitgeber von Anfang an mit. Der Arbeitgeber muss mit der Stellung des Elternzeitantrags wissen, ob und wie lange er Ihre Stelle befristet wiederbesetzen kann.

Wie Sie die Information der Teilzeit in Elternzeit bei Ihrem Arbeitgeber für Sie am besten platzieren, ohne dabei auf eine flexible Elternzeitgestaltung zu verzichten, besprechen wir mit Ihnen gerne. Rufen Sie uns an und vereinbaren Sie einen Termin!

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich im Eilverfahren zu der Frage geäußert, unter welchen Voraussetzungen die Ausbildungsdauer i. S. d. § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG zurückgelegt ist. Die Entscheidung ist von Relevanz für die Frage, ob Auszubildende die Voraussetzung der Zulassung zur Abschlussprüfung erfüllen.

Die Richter stellten dabei klar, dass der bloße kalendarische Ablauf der Ausbildungszeit nicht ausreichend sei, um zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden. Zur Begründung führte der Senat aus, dass das aus § 1 Abs. 3 S. 1 BBiG zu entnehmende Ausbildungsziel der beruflichen Handlungsfähigkeit nur dann zu erreichen, wenn eine tatsächliche Ausbildung erfolgt ist. Fehlzeiten (gleich ob viele oder geringe) stellen nach Auffassung des OVG dabei nur ein Indiz dar. Maßgeblich ist stets im Einzelfall die in den Ausbildungsordnungen vorgesehene konkrete Ausbildungsdauer. Dies sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, der eine normative Regelung von Fehlzeiten in § 43 BBiG gerade nicht vorgenommen hat.

Es hat eine Beurteilung der Ausbildungsziele stets am konkreten Einzelfall zu erfolgen. Dabei kann zu berücksichtigen sein, wenn Fehlzeiten sich im letzten Ausbildungsabschnitt ereignen die Ausbildungsziele dieses Abschnitts jedoch bereits in einem vorherigen Ausbildungsabschnitt erworben wurden. Demgegenüber können auch geringe Fehlzeiten gegen die Zurücklegung der Ausbildungsdauer sprechen, wenn in diesen Fehlzeiten etwa besonders relevante Ausbildungsziele vermittelt wurden. Diese Auslegung folge aus dem Rechtsgedanken, den der Gesetzgeber in § 45 Abs. 1 und Abs. 2 S. 3 BBiG zum Ausdruck gebracht hat (OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.05.2023 – 2 ME 32/23, Rz. 5).

Haben Sie konkrete Fragen zum Ausbildungsabschluss oder zur Abschlussprüfung? Sprechen Sie uns gern an.

 

 

von Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal

 

Nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG, die für erheblichen Aufruhr sorgte, hat das Bundes-Arbeitsministerium jetzt einen Entwurf vorgelegt, wie die Pflicht zur Zeiterfassung gesetzlich geregelt werden könnte. Es ist zwar noch nicht endgültig, aber die meisten der angedachten Vorgaben – insbesondere die elektronische Erfassung der Arbeitszeit – werden wohl in Kürze Gesetz. Dazu gehören auch relativ weitgehende Übergangsregelungen und eine Ausnahme für Kleinbetriebe.

Wichtig: Schon jetzt besteht nach dem Urteil des BAG aus 09/2022 eine Pflicht für Arbeitgeber, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen, wenn auch derzeit „nur“ händisch. Was das in der Praxis bedeuten kann und welche Fallstricke in Lohnprozessen vor Gericht drohen könnten, hat Rechtsanwalt Laue-Ogal, Fachanwalt für Arbeitsrecht im rechtskontor49, in einem Kurzvortrag für einen unserer Mandanten zusammengefasst. Seine Präsentation dazu stellen wir hier online und stehen im Übrigen natürlich allen interessierten Rechtssuchenden bei Rückfragen zur Verfügung.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 13.03.2023 – 3 K 2900/22 – entschieden, dass die Rücknahme der Ernennung eines Polizeimeisteranwärters wegen arglistiger Täuschung über das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung rechtmäßig war.

Im konkreten Fall hat ein Anwärter im Polizeidienst vor seiner Ernennung zur Überzeugung der Kammer bewusst wahrheitswidrig ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgegeben. Aufgrund dieses Umstandes war die Ernennung wegen arglistiger Täuschung zurückzunehmen. Das Gericht unterstrich dabei, dass – je nach konkretem Einzelfall – auch die Verpflichtung zur Rückzahlung geleisteter Bezüge bestehen kann.

Im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden bei dem Beamten kinder- und jugendpornographische Schriften aufgefunden worden, sowie Propagandamittel verfassungsfeindlicher Organisationen. Ferner sei der Beamte Mitglied einer Chatgruppe „Grillen gg. Überfremdung“ gewesen. Der Beamte habe Nachrichten mit frauenfeindlichen, antisemitischen, homophoben und fremdenfeindlichen Inhalt versendet. Nachdem dies bekannt wurde, wurde die Ernennung zum Polizeimeisteranwärter zurückgenommen und die Bezüge von der Einstellung bis zum Ausscheiden wurden zurückgefordert.

Der Bewerber hatte damit über seine Verfassungstreue bei der Einstellung getäuscht, was die Rücknahme der Ernennung rechtfertigte Das Gericht unterstrich dabei, dass insbesondere die Intensität, Qualität und Quantität der Handlungen die Rücknahme der Ernennung rechtfertigte.

Hinsichtlich der zurück zu zahlenden Bezüge stellte das Verwaltungsgericht fest, dass diese Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft war. Da der Anwärter am Anfang seiner Ausbildung gestanden habe, sei die Entscheidung der Behörde nicht zu beanstanden. Das Gericht ging hierbei davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine verwertbare Arbeitsleistung erbracht worden sei.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die besondere Pflichtenstellung des Beamten und die besonderen Anforderungen an die Ernennung keine leere Worthülse darstellen. Das Fallbeispiel zeigt, dass Beamte und Beamtinnen auch außerhalb des Dienstes besondere Verantwortung tragen. Gleichzeitig betont das Verwaltungsgericht, dass stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Rücknahme der Ernennung und auch die Rückzahlungspflicht der Bezüge tatsächlich rechtmäßig ist.

Benötigen Sie Unterstützung oder sehen sich einem Disziplinarverfahren ausgesetzt? Sprechen Sie uns gerne an.

 

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Gleichbehandlung, Equal Pay und geschlechtergerechte Vergütung – in der Praxis kommt es dennoch immer wieder zu der Situation, dass zwischen den Geschlechtern doch andere Vergütungshöhen zu beobachten sind. Neben sachlichen Kriterien haben Arbeitgeber hierzu in der Vergangenheit häufig eine individuelle Verhandlung als rechtfertigendes Element für einen Gehaltsunterschied angegeben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Urteil vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 – zu dieser Verhandlungsoption Stellung bezogen.

Die Entscheidung

Der Umstand, dass eine Beschäftigte für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt erhält wie ein Beschäftigter des anderen Geschlechts begründet die Vermutung i. S. d § 22 AGG, dass diese Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Diese Vermutung konnte die Beklagte im Verfahren nicht widerlegen.

Nicht ausreichend ist dabei die Begründung (für den Gehaltsunterschied), dass ein Kollege besser und geschickter verhandelt habe. Auch dass der in diesem Fall männliche Beschäftigte auf eine ausgeschiedene weibliche Kollegin nachfolgte, die ebenfalls ein höheres Entgelt verdiente reichte nach den Ausführungen des 8. Sentas nicht für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung aus.

Die Bedeutung für Sie

Sowohl Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als auch Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollten im Falle von Gehaltsunterschieden zu Kollegen genau überprüfen, worin diese Unterschiede begründet sein können. Das Bundesarbeitsgericht macht deutlich, dass die Vermutungswirkung freilich widerlegt werden kann. Gleichzeitig zeigt der Senat deutlich auf, dass die Anforderungen an eine entsprechende Rechtfertigung hoch sind. Pauschale Begründungen dürften hier in Zukunft nicht mehr ausreichen, sodass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in der Vergütungsstruktur auf einheitliche Standards und nachvollziehe Differenzierungskriterien achten sollten.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nach dieser Entscheidung genau schauen, ob objektive Kriterien eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen oder ob derartige Umstände nicht ersichtlich sind.

Wenden Sie sich an unsere Experten im Arbeitsrecht, wenn Sie Fragen haben, und melden Sie sich direkt per Mail, Telefon oder Whatsapp.

Die rechtlichen Grundlagen

Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union)

„Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“

Dieser Vorgabe ist die Bundesrepublik Deutschland u. a. in § 1 AGG und § 3 EntgTranspG (Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern) nachgekommen. In § 3 Abs. 1 EntgTranspG heißt es:

„Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.“

§ 7 EntgTranspG konkretisiert:

„Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.“

Haben Sie hierzu konkrete Fragen? Sprechen Sie uns gerne an.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Mit Pressemeldung vom 10.01.2023 hat das Arbeitsgericht Siegburg auf ein Urteil vom 16.12.2022 (Aktenzeichen 5 Ca 1200/22) hingewiesen. Das Arbeitsgericht gab einer fristlosen Kündigung statt, nachdem eine Pflegeassistentin sich trotz Arbeitsunfähigkeit zu einer Feier begab.

Die Klägerin arbeitete seit 2017 bei der Beklagten. Im Juni 2022 wurde sie für einen Samstag und einen Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Die Klägerin meldete sich hierfür krank und reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Sie nahm dann an einer Party teil und veröffentlichte Bilder von der Feier in ihrem „Whats-App“-Status. Auch war sie auf Fotos zu sehen, die der Betreiber der Party auf seiner Homepage veröffentlichte. Nachdem die Arbeitgeberin Kenntnis von diesen Umständen erhalten hatte, kündigte sie der Klägerin außerordentlich fristlos.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat die Wirksamkeit der fristlösen Kündigung bestätigt. Das Verhalten der Klägerin war geeignet das Vertrauensverhältnis nachhaltig zu stören, nachdem sie – nach Auffassung des Arbeitsgerichts – über die Arbeitsunfähigkeit getäuscht hatte. Die Klägerin hatte der Arbeitgeberin gegenüber mitgeteilt an Grippesymptomen gelitten zu haben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – und auch die Einlassung der Klägerin im Verfahren – waren darauf gerichtet, dass sie an einer 2-tägigen psychischen Erkrankung gelitten habe, die ohne weitere therapeutische Maßnahme nach den zwei Tagen ausgeheilt gewesen sei. Diesen Vortrag glaubte das Arbeitsgericht der Klägerin nicht.

Die Entscheidung zeigt, dass es im Einzelfall darauf ankommt sich genau mit dem Grund der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit auseinanderzusetzen, um zu überprüfen, ob der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Landesarbeitsgericht angefochten werden.

 

von Rechtsanwalt Timm Laue-Ogal

 

In seinem Urteil vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 245/19) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zum Resturlaub bei Krankheit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angepasst.

Der Fall

Es ging um die Klage eines Fraport-Frachtfahrers. Der Mann war von Dezember 2014 bis August 2019 voll erwerbsgemindert und somit arbeitsunfähig. Nach Rückkehr an seinen Arbeitsplatz forderte er seinen Resturlaub aus 2014 ein.

Der Arbeitgeber berief sich auf die bisherige Rechtsprechung des BAG, nach der restliche Urlaubsansprüche eines Kalenderjahres bei dauerhafter Erkrankung mit Ablauf des 31. März des übernächsten Jahres verfallen.

Das Urteil

Erst vor kurzem hat das BAG entschieden, dass restliche Urlaubsansprüche aus den Vorjahren ansonsten nur dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hingewiesen und der Arbeitnehmer trotzdem seinen Resturlaub nicht beantragt hatte.

Nach dem neuen Urteil des BAG – der eine Vorabentscheidung des EuGH vorausgegangen war – gelten diese Grundsätze so ähnlich auch für nicht genommenen Urlaub vor einer längeren Krankheit.

Wenn der Arbeitnehmer im Laufe des Jahres, in dem er krank wurde, längere Zeit gearbeitet hatte, und der Arbeitgeber ihn nicht in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, dann bleibt der Resturlaub für dieses Jahr bestehen, so das BAG. Der Arbeitgeber des Frachtfahrers hatte im Jahr 2014 nicht angeregt, dass der Frachtfahrer bis Ende November zumindest einen Großteil seines Jahresurlaubs nimmt. Das hält das BAG für eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten. Deshalb sei der restliche Urlaub aus 2014 nicht verfallen.

Im Ergebnis durfte der Fahrer also auch im Jahr 2019 noch seinen restlichen Urlaub aus 2014 nehmen.

Die Folgen für Sie

Arbeitnehmer, die länger arbeitsunfähig erkrankt waren, sollten überprüfen, ob ihnen noch restliche Urlaubstage aus dem Jahr zustehen, in dem die Erwerbsunfähigkeit begann. Hat der Arbeitgeber keine Hinweise erteilt, dass Urlaubsansprüche möglichst im Laufe des Jahres nach und nach zu beantragen sind, könnte ein Anspruch auf Resturlaub (oder Abgeltung) noch bestehen.

Für Arbeitgeber bedeutet das BAG-Urteil, künftig idealerweise mit einer frühzeitigen Jahresurlaubs-planung dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten keine Resturlaubsansprüche anhäufen, die ggfs. bei längerer Krankheit eines Mitarbeiters noch erheblich später zu gewähren oder zu vergüten sind.

 

Lassen Sie sich durch die Arbeitsrechtsexperten bei rechtskontor49 beraten, wie Sie auf die neue Linie der Rechtsprechung am besten reagieren.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

„Eine Abmahnung ist [..] nicht grundsätzlich deshalb unverhältnismäßig, weil nur ein leichter Pflichtverstoß vorliegt und zuvor keine einschlägige Ermahnung oder Rüge als milderes Mittel erteilt wurde.“

Landesarbeitsgericht Sachsen, Urt. v. 7.4.2022 – 9 Sa 250/21

 

Häufig streiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht um die Wirksamkeit einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung. Das auch vermeintlich leichte Fehlverhalten zu der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen können, hat das Landesarbeitsgericht Sachsen kürzlich bestätigt.

Die Beteiligten stritten in zweiter Instanz um die Wirksamkeit einer ordentlichen (also fristgebunden) verhaltensbedingten Kündigung. Das Landesarbeitsgericht hat letztendlich festgestellt, dass die Kündigung wirksam war. Die Arbeitnehmerin war 51 Jahre alt, war drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet und seit ca. 5 Jahren im Unternehmen der Arbeitgeberin beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz fand Anwendung.

Es gab im Unternehmen eine Richtlinie für eine aufgeräumte Arbeitsumgebung und Bildschirmsperren. Darin waren Regelungen zur Geheimhaltung enthalten, die etwa vorsehen Passwörter zu schützen, geheime Unterlagen in einer abschließbaren Schreibtischschublade aufzubewaren und beim Verlassen des Arbeitsplatzes den Computer zu sperren.

Wegen vorangegangener Ungenauigkeiten wurde die Arbeitnehmerin bereits wiederholt ermahnt und zur gewissenhaften Arbeit angehalten. Im weiteren Verlauf wurde der Arbeitnehmerin eine Abmahnung ausgesprochen, weil (andere) verhältnismäßig leichte Pflichtverstöße vorgekommen waren.

Schließlich verstieß die Arbeitnehmerin gegen die aufgestellte Richtlinie, sodass potentiell die Möglichkeit bestand, dass sensible Daten, die sich auf dem Schreibtisch der Arbeitnehmerin befunden haben, durch Dritte eingesehen werden konnten. Nachlässigkeiten zeigte die Arbeitnehmerin in der Folge ebenfalls und verstieß gegen die Richtlinie der Arbeitgeberin. Es folgten weitere Verstöße gegen die Richtlinie, die nach mehreren weiteren Abmahnungen zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung führte. Die Arbeitnehmerin wandte sich uA gegen die Kündigung mit der Begründung, dass ihr der Vorwurf für rechtswidriges Verhalten von Dritten (hier die unberechtigte Einsichtnahme in die von der Arbeitnehmerin bearbeiteten Dokumente) vorgeworfen werden könne.

Dies sah das Landesarbeitsgericht anders:

„Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung un Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine schuldhafte, vorwerfbare und rechts- oder vertragswidrige Verletzung von Haupt- und Nebenleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis geeignet.“

Das Landesarbeitsgericht hat hervorgehoben, dass eine (ordentliche) Kündigung stets verhältnismäßig sein müsse, also das mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellen müsse, wegen der wiederholten vorangegangen Abmahnungen sei ein Festhalten am Vertrag für die Arbeitgeberin jedoch nicht zumutbar gewesen.

Vor dem Hintergrund, dass die Arbeitnehmerin sensible Daten unverschlossen im Schreibtisch aufbewahrte, obschon sie wiederholt abgemahnt worden war und ihr die Richtlinie bekannt war, ist die Kündigung hier als verhältnismäßig gewertet worden.

Der Fall zeigt im Ergebnis, dass auch – auf den ersten Blick – nicht gravierende Pflichtverstöße zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen können.