von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

Der Oberbügermeister von Tübingen, Boris Palmer, schaltet nachts die Lichter aus – zum Stromsparen. Der Fall schlägt inzwischen Wellen aus der schwäbischen Provinz bis nach Berlin, auch wenn nach meiner Ansicht auch ein Machtwort des Bundeswirtschaftsminister nichts an der Rechtslage ändert. Auch die Leserschaft des Immobilienteils der FAZ konnte sich im Dezember 2022 mit der Frage befassen, welche verschiedenen rechtlichen und technischen Fragen sich im Zusammenhang mit der Straßenbeleuchtung stellen.

Wie hell darf, muss und kann es zu Zeiten rasant steigender Strompreise auf der Straße noch sein?

Es gibt keine bundesgesetzliche Regelung explizit zur Installation von Straßenbeleuchtung. Bundesweit schreibt lediglich § 32 Abs. 1 Satz 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor:

„Verkehrshindernisse sind, wenn nötig (§ 17 Absatz 1), mit eigener Lichtquelle zu beleuchten oder durch andere zugelassene lichttechnische Einrichtungen kenntlich zu machen.“

Der Bezug auf § 17 Abs. 1 meint die vorgeschriebenen Beleutungseinrichtungen an Fahrzeugen, die zu verwenden sind

„während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern“.

Das gilt also auch für Verkehrshindernisse. Diese Regelung wendet sich aber an jeden, nicht nur an Gemeinden, Städte oder sonstigen öffentliche Stellen. Grundsätzlich betrifft die Frage der Beleuchtung den sog. Träger der Straßenbaulast, je nachdem, um was für eine Straße es sich handelt (Autobahn/Bundesstraße, Landesstraße, Kreisstraße, Gemeindestraße oder Privatweg). Für diesen gibt es eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht zur Straßenbeleuchtung nur in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Sachsen, die die Beleuchtungspflicht den Gemeinden mit unterschiedlichen Voraussetzungen zuweisen. Genaue Regeln zur Ausgestaltung, Helligkeit und Häufigkeit der Beleuchtung finden sich dort allerdings auch nicht. Wir lebten nun nicht in Deutschland, wenn es nicht eine DIN gäbe. Ziff. l der DIN 5044, Teil 1, führt aber auch nur etwas hilflos aus, dass es nicht Aufgabe der Norm sei,

„Aussagen darüber zu machen, ob eine Straße zu beleuchten ist. Die Notwendigkeit, eine Straße zu beleuchten, wird jeweils von der hierfür zuständigen Behörde festgestellt“.

Also Beleuchtungsanarchie?

Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung kann eine solche Pflicht aus der sog. Verkehrssicherungspflicht resultieren, zB. wenn der Zustand einer Straße, ihre Lage oder sonstige Umstände eine Beleuchtung gebieten. Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht kann zur Schadensersatzpflicht führen. So hat das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 17.2.2006 – Az. 9 U 102/05 – entschieden:

Die Gemeinde verletzt ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn die zeitweilige Abschaltung der Straßenbeleuchtung aus Gründen der Ersparnis dazu führt, dass Pflanzkübel auf dem Gehweg, die verkehrstechnische Aufgaben oder dekorative Zwecke erfüllen sollen, für Fußgänger des Nachts nicht mehr hinreichend erkennbar sind und deshalb eine Verletzungsgefahr darstellen.

Allerdings muss sich ein geschädigter Fußgänger, der über einen solchen Kübel zu Fall gekommen ist, ein Mitverschulden entgegen halten lassen, wenn er sich bei tiefer Dunkelheit ohne ausreichende Sicht nicht vorsichtig seinen Weg ertastet.

Es ist insgesamt davon auszugehen, dass die Rechtsprechung das ganz überwiegend so sehen wird: Zwar müssen Gefahrenstellen beleuchtet werden, wer nichts sieht, darf aber auch nicht wie wild durch die Dunkelheit stürmen.

Die vom 1.9.2022 – 28.2.2023 geltende und Ende September nochmals angepasste „Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung“ (EnSikuMaV) enthält keine ausdrücklichen Regelungen zur Straßenbeleuchtung. Eine Alternative zu Boris Palmers Tübinger Blackout ist zB. eine Einschränkung der Straßenbeleuchtung, indem diese entweder räumlich oder zeitweise ganz ausschaltet wird. Ob das technisch möglich ist, hängt von den Einrichtungen der Gemeinde ab, die – wie zuvor gesagt – keinen einheitlichen rechtlichen Vorgaben unterliegen. Aber alles – auch bei Gefahrenstellen oder Fußgängerüberwegen – ganz abzuschalten, dürfte nirgendwo zulässig sein, auch nicht zum Stromsparen.

Schaufenster und Kneipenschilder

Zunächst betrifft § 11 EnSikuMaV lediglich Werbeanlagen. Dies ist ein Begriff aus dem öffentlichen Baurecht – dem Schaufenster bereits an sich nicht unterfallen. Allein ein dekoriertes, beleuchtetes Schaufenster ist daher keine Werbeanlage in diesem Sinne, was durch das zuständige Bundesministerium bestätigt wurde.

Werbeanlagen sind zB. nach § 50 der Niedersächsischen Bauordnung

„alle örtlich gebundenen Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und von allgemein zugänglichen Verkehrs- oder Grünflächen aus sichtbar sind. Hierzu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Lichtwerbungen, Schaukästen sowie für Zettel- und Bogenanschläge oder Lichtwerbung bestimmte Säulen, Tafeln und Flächen.“

Ein Schaufenster fällt darunter nicht, weil es Teil eines Gebäudes und damit keine eigenständige Anlage ist. Werbeanlagen sind hingegen eigenständige Leuchtschilder, Leuchttafeln oder Bildschirme. Wie ein leuchtender Schriftzug in einem Schaufenster zu werten ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Ausgenommen ist außerdem

„der Betrieb von Werbeanlagen während der Öffnungszeiten, die als Hinweise auf Gewerbe oder Beruf am selben Ort dienen, sowie der Betrieb von Werbeanlagen während Sport- und Kulturveranstaltungen.“

Dh. dass eine Kneipe oder Club, die während der Öffnungszeiten nach 22 Uhr ihr Leuchtschild mit dem Namen  eingeschaltet lassen, nicht gegen die Verordnung verstoßen, ebenso wenig eine Dönerbude, ein Kiosk oder ein Prostitutionsbetrieb.