von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

„Als Einzelperson ist man oft ratlos!“

Äußerung eines Ratsuchenden, April 2022

Dass die Situation der Radwege in Osnabrück nicht optimal ist, ist inzwischen wiederholt dargestellt worden. Verschärft wird dieser Missstand durch das regelwidrige Abstellen von Kraftfahrzeugen auf Geh- und Radwegen, allgemein Falschparken genannt. Wird ein Geh- oder Radweg von abgestellten Fahrzeugen blockiert, zwingt das die eigentlich berechtigten Nutzer:innen zum Ausweichen – häufig auf weniger sichere Teile des Verkehrsweges, möglicherweise sogar auf die befahrene Straße.

Kann eine Privatperson etwas gegen Falschparkende unternehmen?

Abschleppen lassen

Den Auftrag, ein rechtswidrig abgestelltes Fahrzeug abschleppen zu lassen, kann auf Kosten des Fahrzeughalter:in oder -nutzer:in nur erteilt werden, wenn sogenannte „verbotene Eigenmacht“ durch die Nutzer:in des parkenden Fahrzeuges vorliegt. Dies ist zB. der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einem Privatgrundstück oder einem gemieteten Parkplatz abgestellt wird. Dann hat die berechtigte Person die Möglichkeit, dagegen durch ein sach- und fachgerechtes Abschleppen vorzugehen [vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5.6.2009, Az. V ZR 144/08]. Ähnlich ist es zu bewerten, wenn ein Fahrzeug durch das regelwidrige Parken das Wegfahren von einem Parkplatz oder Grundstück verhindert.

Ein lediglich störendes Fahrzeug im öffentlichen Raum kann durch eine Privatperson nicht beseitigt werden. Dies wäre wiederum seinerseits rechtswidrig und möglicherweise sogar strafbar.

Anzeige erstatten

Die Ordnungsbehörden, also das Ordungsamt vor Ort, sind für die sogenannte Gefahrenabwehr zuständig, die Verhinderung drohender Verletzung von Vorschriften und Rechte anderer Menschen. Hierzu zählt auch das Vorgehen gegen Verkehrswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, in erster Linie natürlich durch „Knöllchen“ mit Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Aber Gefahren für den fließenden Verkehr können auch durch Abschleppen falsch parkender Fahrzeuge im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung – in Niedersachsen nach dem Nds. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) – beseitigt werden. Unter Berufung auf frühere Entscheidungen hat dies das Verwaltungsgericht Leipzig zusammengefasst:

Die Verhältnismäßigkeit einer Abschleppmaßnahme setzt grundsätzlich keine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer voraus (BVerwG, Beschluss vom 1.12.2000 – 3 B 51/00 -, juris Rn. 4). Nicht jeder Parkverstoß rechtfertigt zwar allein unter Berufung auf eine negative Vorbildwirkung und auf den Gesichtspunkt der Generalprävention ohne Weiteres das Abschleppen eines Fahrzeugs. Die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, dürfen nicht außer Verhältnis zum bezweckten Erfolg stehen, was aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilten ist (BVerwG, Beschluss vom 18.2.2002 – 3 B 149/01 -, juris Rn. 4). Unzweifelhaft ist aber, dass verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge regelmäßig dann abgeschleppt werden dürfen, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Dies gilt etwa beim Verstellen des gesamten Bürgersteigs oder beim Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn, bei Funktionsbeeinträchtigungen einer Fußgängerzone oder beim verbotswidrigen Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz, in Feuerwehranfahrzonen oder auch bei einem Abschleppen zur Verhinderung von Straftaten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 – 3 C 5/13 -, BVerwGE 149, 254-265, juris Rn. 12). Ebenso ist das Abschleppen eines Fahrzeugs, das in einen Radweg hineinragt, wegen der Verkehrsbedeutung des Sonderweges regelmäßig nicht zu beanstanden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2011 – 5 A 954/10 -, juris Rn. 10; OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000 – 3 Bf 215/98 -, juris Rn. 28).

VG Leipzig, Urteil vom 5.5.2021 – 1 K 860/20

Die Möglichkeiten der Ordnungsbehörde sind also vielfältig und beinhalten insbesondere auch die Möglichkeit, den falsch parkenden Wagen zu entfernen, vor allem bei Behinderung des fließenden Verkehrs. Die Kosten sind dann vom Verursachenden zu tragen.

Darf eine Privatperson die Ordnungsbehörde auf Falschparker hinweisen?

Eindeutig: Ja!

Die einschlägige Literatur leitet aus § 158 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO), der auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt, als Folge des staatlichen Gewaltmonopols ein „Recht zur Anzeige“ ab:

Auch muss der Bürger, wenn ihm jede eigenhändige Deliktssanktionierung verwehrt ist, vom Staat, der insoweit ein Monopol reklamiert, hierzu wenigstens angehört werden. Deshalb ist grundsätzlich jedermann zu den Mitteilungen (…) berechtigt. Es bedarf dazu weder der eigenen Schädigung noch eines besonderen persönlichen Interesses.

Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung
§ 158 StPO, Randnummer 11

Ein Anruf bei der Polizei ist nur hilfreich, wenn der Verstoß außerhalb der normalen Dienstzeiten festgestellt wird und zugleich von dem Parkverstoß eine Gefahr ausgeht, die mit einer gewissen Dringlichkeit beseitigt werden muss. Das kann bei schwerwiegenden Behinderungen durchaus der Fall sein.

Drohen Anzeigenden Geldbußen wegen Datenschutzverstößen?

Vielfach werden Anzeigen gegen Falschparkende oder andere Verkehrssünder:innen mit Handyfotos oder Videos sogenannter Dashcams belegt, bei denen gerade die Kfz-Kennzeichen zu erkennen sind. Teilweise fordern Behörden sogar zur Einreichung von Fotobeweisen auf und bearbeiten Anzeigen ohne diese nicht.

Immer wieder kommt es aber vor, dass solche Anzeigen Gegenstand von Verfahren bei den Landesdatenschutzbehörden sind und zu Bußgeldbescheiden führen. Insbesondere das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat inzwischen mehrere Verfahren dieser Art eingeleitet, derzeit hat das Verwaltungsgericht Ansbach über den Fall eines Familienvaters zu entscheiden, der eine Anzeige eingereicht hatte. Die Behörde nimmt an, dass es kein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung gibt, das die elektronische Verarbeitung und Weitergabe des Kfz-Kennzeichens als zumindest mittelbar betroffene personenbezogene Angabe rechtfertigen soll.

Dies ist wenig überzeugend. Wenn Bürgerinnen und Bürger das Recht zur Anzeige haben, müssen sie auch in der Lage und berechtigt sein, die notwendigen Belege vorzulegen. Dies dient dem Eigenschutz vor dem Vorwurf falscher Verdächtigung, aber auch der Sicherung eines ordnungsmäßigen Verfahrens. Zudem handeln sicher die wenigstens Anzeigeerstatter:innen, ohne eigene Interessen zu verfolgen – und wenn es nur die Sicherheit des eigenen Fahrtweges ist.

Der Kollege Rechtsanwalt Michael Kamps hat sich mit dieser Fragestellung eingehend und inhaltlich richtig beschäftigt! Sollten Sie wegen der Verwendung eines Fotos mit Kennzeichen zu einem Bußgeld herangezogen werden, melden Sie sich gern bei uns – wir helfen Ihnen weiter!

Wenn die Ordnungsbehörde nicht tätig wird

Die Möglichkeiten, Ordnungsbehörden zum Einschreiten gegen Falschparker:innen zu zwingen, sind leider überschaubar.

Strafanzeige gegen die Behörde?

Es gibt keinen Straftatbestand, um erfolgversprechend die Untätigkeit einer Verkehrsaufsichtsbehörde durch die Staatsanwaltschaft verfolgen zu lassen. Wie mein Kollege Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier hier schon dargestellt hat, folgt das Ordnungswidrigkeitenrecht – und reine Parkverstöße fallen praktisch immer hierunter – dem sogenannten Opportunitätsprinzip: Entscheidet sich eine Behörde dagegen, etwas zu unternehmen, liegt dies nach derzeitiger Rechtslage in ihrer Entscheidungskompetenz und begeht keine Strafvereiteilung, Rechtsbeugung oder vergleichbare Tat. Das gleiche gilt für die Entscheidung über das Abschleppen, weil auch das Einschreiten im Gefahrenabwehrrecht eine kaum zu überprüfende Ermessenentscheidung ist.

Klagen vor dem Verwaltungsgericht?

Eine sogenannte Untätigkeitsklage ist nur möglich, wenn es um eigene Anträge geht, in denen eigene Belange betroffen sind. Auch wenn eine Anzeige aus eigenem Interesse erstattet wurde, genügt dies für eine Untätigkeitsklage nicht, weil man an einem Verfahren, das durch eine Anzeige eingeleitet wurde, selbst nicht beteiligt ist.

Es ist auch wenig erfolgversprechend, eine Ordnungsbehörde vor dem Verwaltungsgericht zu verklagen, gegen Falschparker strenger mit Bußgeldern vorzugehen oder diese immer abschleppen zu lassen. Zum einen müsste das Verfahren auf einen konkreten Verstoß bezogen sein, der regelmäßig schneller beseitigt ist, als das Verwaltungsgericht selbst im Eilverfahren entscheidet. Zum anderen aber besteht kein allgemeines Recht, dass Behörden gegen Falschparker vorgehen, auf das sich der einzelne berufen könnte. Das aber ist notwendig, um vor dem Verwaltungsgericht Gehör zu finden, wie es zB. in der Vergangenheit mit Luftreinhalteplänen gelungen ist, auf die es einen allgemein durchsetzbaren Anspruch gibt.

Deswegen kann man gerichtlich gegen bestimmte Radwegfestsetzungen vorgehen, zB. wenn die Nutzung des zu benutzenden Weges zu unsicher ist, oder für die Festsetzung bestimmter Park- und Halteverbote oder sonstiger Maßnahmen gegen verkehrswidriges Parken. Für letzteres muss man aber persönlich nicht nur als Passant:in, sondern zB. als Anwohner:in betroffen sein. So hat zuletzt das Verwaltungsgericht Bremen in einem Urteil vom 11.11.2021 (Az. 5 K 1968/19) Anwohner:innen Recht gegeben, die die Straßenverkehrsbehörde zum Einschreiten gegen „aufgesetztes Gehwegparken“ in einer Wohnstraße zwingen wollten, weil die Ordnungsbehörde nichts oder nicht genug unternommen hat. Einen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen gibt es auch danach nicht, einem völligen Ablehnen des Einschreitens hat das Gericht in der dortigen Situation aber eine Absage erteilt. Welche Voraussetzungen für eine solche Konstellation erforderlich sind, können wir jeweils in einer konkreten Beratung sagen.

Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde

Immer möglich sind eine form und fristlose Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde. Erstere richtet sich zumeist gegen die Amtsführung der einzelnen Sachbearbeiter:innen oder Vollzugsbeamte; sie ist an die Stelle zu richten, deren Arbeit beanstandet wird, idealerweise direkt an die Behördenleitung, zB. in Osnabrück die Oberbürgermeisterin. Die Fachaufsichtsbeschwerde wird an die übergeornete Behörde gerichtet, die die Aufsicht über die Ordnungsbehörde führt.

Es besteht kein Grund, hiervor zurückzuschrecken, in einer solchen Beschwerde in eigenen Worten und ohne Nennung von Gesetzen und Paragraphen das zu schildern, was Sie sich wünschen. Ehrlicherweise wird man allerdings sagen müssen, dass Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie wirklich fundiert der Behörde aufzeigen, welcher Missstand besteht, welche Handlungsoptionen die Behörde hat und warum es besser wäre, diese wahrzunehmen. Dafür sind durchaus vertiefte Kenntnisse im Verwaltungs- und Verkehrsrecht erforderlich. Wenn Sie also bei einem solchen Vorgehen vertreten werden wollen, wenden Sie sich gern an uns. Wir unterstützen Sie gern.

Was folgt daraus?

Der erfolgversprechendste Weg, die Situation der Radfahrenden und die Sicherheit auf Radwegen zu verbessern, ist daher der Weg über die politischen Gremien und die Gesetzgebung. Hierzu kann man nur aufrufen – engagieren Sie sich in Parteien, denen die Verkehrswende am Herzen liegt, in Ihrem Stadt- oder Gemeinderat oder unterschreiben Sie beim Radentscheid Osnabrück.

Es ist keine verlorene Zeit, denn dort kann wirklich etwas verändert werden.