Was macht ein Rechtsanwalt eigentlich, wenn nicht für Ihr Recht kämpft? Wenig überraschend überschneiden sich die Interessen unserer Anwälten mit den Hobbies, denen Sie in der Freizeit nachgehen. Heute möchten wir von einer unserer Freizeitaktivitäten berichten.

Die Begeisterung und unser Einsatz für das Fahrradrecht kommen nicht von ungefähr. Die Rechtsanwälte Dustin Hirschmeier, Timm Laue-Ogal und Burkhard Wulftange zählen zu den passionierten Rennradfahrern.

Am 30.07.2022 ist das rechtskontor49 Cycling Team geschlossen der Einladung des TuS Engter e.V. gefolgt und hat an der 42. RTF-Wadenkneifer teilgenommen. Wir hatten viel Spaß und möchten uns auch auf diesem Weg noch einmal für die ausgezeichnete Organisation, super Stimmung und Verpflegung bedanken. Im kommenden Jahr werden wir sicher wieder die Höhenmeter angreifen.

von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

 

Corona, Inflation, Ukrainekrieg, CO2-Umlage – vor allem diese Faktoren werden bei den kommenden Betriebskostenabrechnungen außergewöhnlich hohe Nachzahlungen für Mieter zur Folge haben. Insbesondere werden die Heizkosten, auf die regelmäßig der Großteil der Betriebskosten entfällt, wegen der aktuell zu zahlenden Preise für Gas, Strom und Öl eine immense Nachzahlungsverpflichtung zur Folge haben. Zum Teil werden Nachzahlungen in Höhe von bis zu zwei Monatskaltmieten prognostiziert.

Wohnen und Gewerbe betroffen

Dies trifft Wohnungen wie Gewerberäume gleichermaßen. Das Fatale an dieser Konstellation: Die erhöhten Preise fallen vielfach bereits jetzt an, können dem Mieter aber erst sehr viel später im Rahmen der turnusmäßigen Betriebskostenabrechnung geballt präsentiert werden. Im Moment merkt der Mieter also von der Preissteigerung noch nichts. Das böse Erwachen könnte dann im nächsten Jahr zu finanziellen Schwierigkeiten führen, die im schlimmsten Fall sogar den Verlust der Wohnung bedeuten könnte, wenn die Nachzahlung pflichtwidrig nicht gezahlt wird.

Was ist zu tun?

Jeder Mieter ist daher gut beraten, sich bereits jetzt größtmögliche Klarheit über die zu erwartende Nachzahlung zu verschaffen, um schon jetzt für diesen Fall Vorsorge treffen zu können. In einem gut funktionierenden Mietverhältnis können Mieter und Vermieter gemeinsam einen Blick auf die aktuell aufgerufenen Preise werfen und im Wege einer Hochrechnung die zu erwartende Nachzahlung annäherungsweise errechnen. In einem zweiten Schritt könnten dann bereits jetzt die Vorauszahlungen angepasst werden. Davon würde dann auch der Vermieter profitieren. Alternativ könnte der Mieter das Geld auch eigenverantwortlich ansparen. Wichtig ist aber in jedem Fall die ungefähre Nachzahlungshöhe zu wissen, damit entsprechend kalkuliert werden kann.

Ohne Mitwirkung des Vermieters können sich Mieter auch über den Nachzahlungsrechner der Stiftung Warentest über die zu erwartende Nachzahlung informieren und wenn möglich entsprechende Rücklagen bilden.

Zu hohe Abrechnung vermeiden

Sollten Mieter gleichwohl von einer unerwartet hohen Abrechnung überrascht werden, empfiehlt es sich, die Abrechnung eingehend zu überprüfen und die Rechnungsbelege beim Vermieter einzusehen.  Erfahrungsgemäß finden sich in vielen Abrechnungen Fehler, die im Extremfall sogar die Unwirksamkeit einer Abrechnung zur Folge haben können. Ein genauer Blick auf Abrechnung, die Rechnungsunterlagen und Mietvertrag kann sich also lohnen, übrigens auch dann, wenn vermeintlich alles zu passen scheint. Auch Vermieter sollten im eigenen Interesse auf die korrekte  Abrechnung achten und darauf, dass die Abschlagszahlungen zur erwarteten Höhe passen – sonst kann ein ansonsten gutes Mietverhältnis schwer belastet werden. Im schlimmsten Fall bleiben beide Seiten auf Kosten sitzen!

Im rechtskontor49 ist Rechtsanwalt Burkhard Wulftange Ihr kompetenter Ansprechpartner im Mietrecht – sowohl für Mieter als auch Vermieter.

 

von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

 

Ein aktueller Vorschlag aus Teilen der Lokalpolitik der Stadt Osnabrück sieht vor, die Windthorststraße in Osnabrück zwischen der Kreuzung Weberstraße und dem Ortsausgang zu einer Fahrradstraße zu machen. Die aktuelle rot–grün–violette Ratsmehrheit steht der Umgestaltung der Windthorststraße zur Fahrradstraße allerdings eher kritisch gegenüber und hat sich erst einmal gegen eine kurzfristige Umsetzung entschieden.

Diese Debatte bietet Anlass dazu, sich auch aus juristischer Sicht mit Fahrradstraßen auseinanderzusetzen und die Argumente für oder gegen die Umwidmung der Windthorststraße zur Fahrradstraße näher zu beleuchten

Juristische Einordnung: Echte und unechte Fahrradstraße

Fahrradstraßen sind zunächst einmal Straßen, die Radfahrern durch bestimmte Einschränkungen des sonstigen Verkehrs einen besonderen Schutz bieten sollen. Nach § 43 Abs. 1 StVO in Verbindung mit dem Anhang 2 Nr. 23 dürfen nur Radfahrer, sowie Elektrokleinstfahrzeuge die Straße benutzen und Radfahrer erhalten das Privileg Nebeneinander zu fahren. Dies stellt den Fall einer echten Fahrradstraße dar. Die Windhorststraße soll entsprechend dem Vorschlag von CDU und BOB allerdings eine sog. unechte Fahrradstraße werden, in der weiterhin Kraftfahrzeuge zugelassen sein sollen. Dieser Verkehr darf ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Anliegerverkehr oder Kraftfahrzeugverkehr frei). Die Kraftfahrer dürfen sich dann mit einer maximalen Geschwindigkeit von 30 km/h fortbewegen und müssen sich an schmalen Stellen an das Tempo der Fahrradfahrer anpassen, wenn diese nicht sicher überholt werden können.

Eine Fahrradstraße wird dabei begründet durch die Aufstellung des Verkehrszeichens Nr. 244.1, dessen Abbildung im Anhang 2 Nr. 23 StVO zu finden ist. Dieses Verkehrszeichen darf aber nur aufgestellt werden, wenn es aufgrund der Umstände vor Ort unbedingt erforderlich ist, § 45 Abs. 1 und Abs.9 StVO. Wie aber ist das Kriterium der Erforderlichkeit zu deuten? Das VG Berlin hat 05.12.2018 in einem Urteil (Az: 11 K 298.17) ausgeführt, dass eine Fahrradstraße erforderlich sei, wenn eine nur geringe Fahrbahnbreite vom 4,60 m vorliege, da hier die allgemeinen Verkehrsregeln, sowie das Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 1 StVO nicht ausreichend seien, um einen Fahrradfahrer zu schützen. Das VG Leipzig verweis auf § 45 Abs.9 S.2 StVO und sieht eine Beschränkung des Verkehrs im Sinne einer Fahrradstraße als erforderlich an, wenn ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer nicht in der Lage ist eine Gefahrensituation zu erkennen (VG Leipzig, BeckRS 2021, 43829, Rn. 29). Die Erforderlichkeit einer Fahrradstraße entfällt dann, wenn die mit der Anordnung derselbigen bezweckten Wirkungen, auch aufgrund der allgemeinen [z.B. § 1 Abs. 1 StVO] und besonderen Verhaltensregeln erreicht werden können (BVerwG vom 01.09.2017, 3 B 50/16). Letzten Endes bleibt es dabei, dass anhand dieser Kriterien eine Prüfung der Sachlage im Einzelfall zu erfolgen hat.

Wird nach Ansicht der Behörde eine Fahrradstraße für erforderlich gehalten, hat sie ein sogenanntes Ermessen, ob sie eine echte oder unechte Fahrradstraße anordnen möchte. Im Ermessen, welches inhaltlich einer Abwägung der Gesamtsituation entspricht, sind Verwaltungsvorschriften der VwV-StVO 2021 zu den Zeichen 244.1 und 244.2 zu berücksichtigen. Es muss eine hohe Anzahl an Fahrrädern die Straße benutzten und die Straße muss für den übrigen Fahrzeugverkehr eine eher untergeordnete Bedeutung haben. Gleichzeitig müssen die Interessen des Fahrzeugverkehrs berücksichtigt werden.

Soweit zur rechtlichen Einordnung.

Für und Wider einer unechten Windthorst-Fahrradstraße

Welchen tatsächlichen Nutzen und Mehrwert ergäbe sich daraus dann ganz konkret für Radfahrer, wenn die Windthorststraße zu einer unechten Fahrradstraße werden sollte? Die grundsätzlichen Vorteile einer Fahrradstraße sind nicht von der Hand zu weisen, schließlich räumen sie den Fahrradfahrern zumindest in der Theorie eine erhöhte Sichtbarkeit und Sicherheit im Straßenverkehr ein. Doch kann die Einrichtung der Windthorstsraße zur unechten Fahrradstraße geeignet sein, die Situation für Fahrradfahrer auch in der Praxis verbessern? Die Gefährdungen entstehen an der Windthorststraße jedenfalls nicht vorrangig durch waghalsige Überholmanöver von Autofahrern im Rahmen des Durchgangsverkehrs. Das Problem ist vielmehr die enge Parkplatzsituation, die durch die sogenannten „Elterntaxis“ vor den Schulen und Kindergärten in der Straße ausgelöst wird. Die größte Gefahr für Radfahrer ergibt sich dabei aus Wendemanövern und mehr oder weniger straßenverkehrsgerechten Versuchen, einen Parkplatz zu ergattern, bei denen Fahrradfahrer (und auch Fußgänger) übersehen werden.

Darüber hinaus zeigt die Erfahrung mit der Umwidmung der Lyrastraße in Osnabrück zur unechten Fahrradstraße keine durchgreifende Verbesserung der Sicherheit für Radfahrende. Dort ist jedenfalls zu den Stoßzeiten keine besondere Rücksichtnahme gegenüber Radfahrenden festzustellen. Auch als Radfahrender ist man dort im Blechstau gefangen oder wird durch unzulässige Überholmanöver gefährdet. Entsprechend wenig Veränderung ist daher auch an der Windthorststraße zu erwarten. Auch dort wird allein die Einrichtung einer unechten Fahrradstraße kaum dazu führen, das Verhalten der Elterntaxis nachhaltig zu verbessern.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass es zwar absolut lobenswert ist, über Verbesserungen der Sicherheit der Radfahrer auch und vor allem an der Windthorststraße nachzudenken. Ob allerdings die Einrichtung einer unechten Fahrradstraße geeignet ist, die gewünschte Verbesserung zu erreichen, darf daher bezweifelt werden. Möglicherweise wären aber mehr Eltern bereit, auf ihre Taxidienste zu verzichten, wenn ihren Kindern ein wirklich sicherer Schulweg zu Fuß oder auch mit dem Rad auf dem Weg zur Schule zur Verfügung stehen würde, und zwar auf der gesamten Wegstrecke und nicht nur auf den letzten 500 Metern.

Verwaltungsgericht Osnabrück fällt erste Urteile über Asylverfahren betreffend Afghanistan in 2022.

Im Oktober 2021 haben wir in der ersten Ausgabe des „Fokus Migrationsrecht“ unter anderem über die Entwicklung in Afghanistan berichtet. Das Land kommt auch nach der Machtübernahme im August 2021 nicht zur Ruhe. Während die Taliban ihre Macht festigen, schwinden die Rechte der Menschen, gerade von Frauen, beständig. Zudem kommen Streitigkeiten unter den radikalen Islamisten auf: Der immer wieder mit den Taliban um die Vorherrschaft ringende sogenannte „Islamische Staat“ (IS bzw. DAESH) will sich in Afghanistan ebenfalls eine neue Basis schaffen und den eigenen Einfluss ausbauen. Die Folge des Machtkampfes sind schreckliche Anschläge auf Moscheen in Masar-i-Sharif und in Kabul und nördlich von Kundus sowie eine Schule in der Hauptstadt allein in den letzten Tagen mit über 60 Toten und zahlreichen Verletzten.

Denoch vermag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) diese neue Sachlage bis heute kaum abschließend zu bewerten und in entsprechende neue Entscheidungen umzusetzen. Auch die Verwaltungsgerichte haben zunächst die unübersichtliche Lage in Afghanistan zum Anlass genommen, laufende Verfahren nicht zu entscheiden. Inzwischen hat sich aber auch das Verwaltungsgericht Osnabrück erstmals nach der Machtübernahme durch die Taliban in mehreren Entscheidungen nach mündlichen Verhandlungen am Montag, 25.4.2022, geäußert und damit seine grundsätzliche Haltung zu diesem Thema öffentlich gemacht.

In einem von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange geführten Klageverfahren gegen eine ablehnende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat das Verwaltungsgericht Osnabrück für einen erwachsenen Mann aus Afghanistan nun Abschiebungsverbote festgestellt. In einem durch Rechtsanwalt Henning J. Bahr geführten Verfahren um einen sogenannten Asylfolgeantrag (also nach einem zuvor bereits negativ ausgegangenen Verfahren) aus dem Jahr 2020 hatte das BAMF eine erneute Prüfung vollständig abgelehnt. Diesen Bescheid hat das Gericht aufgehoben und die Angelegenheit damit an die Behörde zurückgegeben. Es hat festgehalten, dass die veränderte Lage eine vollständige Neubewertung dessen, was der Kläger vorträgt, erforderlich ist.

Das Gericht hat damit endgültig seine in den letzten Jahren überaus harte Rechtsprechung bezüglich der Schutzbedürftigkeit erwachsener Männer aus Afghanistan zu Recht geändert. Nach der Machtübernahme der Taliban in dem asiatischen Land kann niemand mehr ernsthaft davon ausgehen, dass dort ein menschenwürdiges Leben möglich ist. Die Lage war dort zuvor schon katastrophal. Seit Jahren wurde Familien mit Kindern und auch alleinstehenden Frauen regelmäßig Schutz gewährt. Nun ist praktisch bundesweit anerkannt, dass man in ein Land, das von Armut, Pandemie und jahrzehntelangem Krieg gebeutelt ist und nun auch noch von religiösen Fanatikern kontrolliert wird, niemanden mehr abschieben kann, wenn man das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aus Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ernst nimmt.

Denn § 60 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) verbietet es, Menschen durch eine Abschiebung in die Gefahr einer solchen Behandlung zu versetzen.

Nachdenklich stimmen muss allerdings, dass auch noch wenige Wochen vor der Übernahme der Regierung durch die Taliban Menschen nach Afghanistan abgeschoben wurden, deren Schicksal vollkommen ungewiss ist.

 

von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

 

Das Amtsgericht (AG) Osnabrück hat den LKW-Fahrer für schuldig befunden, den Tod des 62-jährigen Radfahres in fahrlässiger Weise herbeigeführt zu haben. Auch das Strafmaß ist nun amtlich: Das Leben eines Radfahrenden ist nach Ansicht des AG Osnabrück eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten wert.

Eine derart verkürzte plakative Zusammenfassung der Geschehnisse rund um den erneut tödlich endenden Radunfall durch einen abbiegenden LKW und den sich daraus für den Täter ergebenden Konsequenzen wird den handelnden Akteuren im Prozess sicher nicht gerecht. Allein der Umstand, dass sämtliche Verfahrensbeteiligte auf Rechtsmittel verzichtet haben, lässt darauf schließen, dass das urteilende Gericht im Rahmen der Rechtsordnung und unter Berücksichtigung aller Umstände ein sachgerechtes Urteil gesprochen hat.

Gleichwohl bleibt ein fader Beigeschmack. Echte Genugtuung wird die Familie des Unfallopfers vermutlich dadurch nicht erfahren haben, zumal etwaige fahrerlaubniswirksamen Maßnahmen nicht ausgeurteilt wurden. Der verurteilte LKW-Fahrer hätte folglich direkt aus dem Verhandlungssaal wieder in sein Fahrzeug steigen und losfahren dürfen.

Auch eine abschreckende Wirkung auf die Allgemeinheit dürfte von einem solchen Urteil kaum ausgehen. Wer sich also erhofft hat, durch das Urteil werde ein durchgreifendes Umdenken motorisierter Verkehrsteilnehmer stattfinden, so dass zukünftig jedwede im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Vermeidung von Unfällen mit Radfahrenden oder Fußgängern eingehalten wird, dürfte enttäuscht werden.

Was die Justiz leisten kann – und wer jetzt handeln muss

Es bleibt mithin festzustellen, dass die Jurisdiktion auf Fehlverhalten und mangelnde Sorgfalt im Straßenverkehr nur reparieren und entsprechende Sanktionen aussprechen kann. Wenn es darum geht, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer so gut als möglich zu schützen, sind vor allem anderen Legislative und Exekutive gefordert, entsprechende Maßnahmen, Vorschriften und Gesetze zu erlassen und umzusetzen, die geeignet sind, Unfallereignisse wie das hier besprochene gar nicht erst entstehen zu lassen.

Beispiele und Ideen für die konkrete Umsetzung sinnvoller Maßnahmen gibt es dabei zu Hauf: LKW-Durchfahrtsverbote, Tempo-30 Zonen, räumliche Trennung von motorisierten Individualverkehr und Radverkehr, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus haben unsere Nachbarländer wie etwas die Niederlande und Dänemark bereits gezeigt, wie sicheres Radfahren funktionieren kann, und zwar auch in großen Städten, in denen das Platzangebot ähnlich eingeschränkt ist wie in Osnabrück.

von Rechtsanwalt Burkhard Wulftange

Nicht nur auf den öffentlichen Straßen der Stadt Osnabrück drohen Radfahrerinnen und Radfahrer tödliche Gefahren. Auch abseits der von Kraftfahrzeugen genutzten Straßen und Wege sind Radler:innen nicht sicher, wie sich aus einem jüngst ereigneten Zwischenfall im Südkreis der Stadt Osnabrück gezeigt hat:

Ein Mountainbiker war auf einem Fahrradtrail im Dörenberg unterwegs. Auf seinem Weg den Berg hinab passierte er einen kleinen Sprung über eine Baumwurzel. Mitten im Sprung wurde er von Stacheldraht gestoppt, der etwa auf Brusthöhe zwischen zwei Bäumen gespannt war. Nur durch allergrößtes Glück ist der Radler am Leben und von schlimmsten Verletzungen verschont geblieben.

Ganz offensichtlich ist der Stacheldraht genau zu diesem Zweck dort angebracht worden. Eine andere rationale Erklärung für das Vorhandensein eines Stacheldrahtes ist an besagter Stelle nicht im Ansatz zu erkennen. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle die Tatsache, dass sich der Tatort auf einem nicht legalen Fahrradtrail befindet. Dieser Umstand legt indes erst recht die Vermutung einer absichtlich installierten Drahtfalle nahe, mit dem Zweck, verbotswidrig agierende Radler zu „erziehen“.

Dabei übersehen der/die Täter offenbar die Tragweite ihrer „Erziehungsmaßnahme“ nicht einmal im Ansatz. So verständlich der Ärger von Waldbesitzern bzw. Waldnutzern auch sein mag, wenn Mountainbiker auf nicht für sie genehmigten Strecken im Wald unterwegs sind, ein Kavaliersdelikt ist die Installation derartiger Drahtfallen keinesfalls. Tatsächlich dürfte durch eine solche Stacheldrahtfalle der Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung immer dann erfüllt sein, wenn ein Dritter, egal ob zu Fuß oder mit dem Rad durch die Stacheldrahtfalle körperlichen Schaden nimmt. Der Eintritt eines ganz erheblichen körperlichen Schadens ist dabei absolut im Bereich des Möglichen und damit auch Erwartbaren, wie das Urteil des BGH aus dem Jahre 2020 zeigt. In jenem Fall ist ein Radfahrer aufgrund eines über einen Feldweg gespannten Drahtes gestürzt. Infolge seiner schwerwiegenden Verletzungen ist der Mann seither querschnittsgelähmt (vgl. Urteile vom 23. April 2020 – III ZR 250/17 und III ZR 251/17). Das Gericht erteilte einem erheblichen Mitverschulden des Radfahrers eine Absage:

Ein Radfahrer ist nicht verpflichtet, lückenlos den unmittelbar vor seinem Rad liegenden Bereich noch gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen, die – bei an sich übersichtlicher Lage – aus größerer Entfernung noch nicht zu erkennen waren (OLG Hamm NJW-RR 2010, 33, 35). Das gilt insbesondere für einen über einen Wald- oder Wiesenweg gespannten Draht (vgl. OLG Köln, VersR 1998, 860).

Dieses Beispiel zeigt, dass ein jeder, der solche Drahtfallen installiert, schwerste Verletzungen Dritter bis hin zur möglichen Todesfolge billigend in Kauf nimmt. Wenn man zudem die Heimtücke bedenkt, mit der die Stacheldrahtfalle mitten im Sprung in etwa auf Brusthöhe installiert wurde, steht allein durch die Installation einer solchen Drahtfalle der Vorwurf eines versuchten Mordes im Raum.

Dabei kann sich der/die Täter auch nicht darauf berufen, dass der Radler dort gar nicht unterwegs sein durfte; denn jedenfalls im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung ist der Umstand der verbotswidrigen Nutzung des Waldes durch den Radler ohne Belang, da sich daraus weder Notwehr noch entschuldigender Notstand als Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe zu Gunsten des Täters ergeben können.

Wer also derartige Drahtfallen installiert, setzt sich der Strafbarkeit wegen versuchten Mordes aus, und zwar auch dann, wenn kein Radler in die Falle tappt. Grundsätzlich droht dem Täter dabei auch bei einem Mordversuch eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Wenn einem Fallensteller das Leben und die Gesundheit anderer auch gleichgültig ist, sollte er sich doch schon aus eigenem Interesse fragen, ob es nicht sinnvollere und weniger risikoreiche Alternativen gibt, dem Problem der verbotswidrigen Wald- und Wegnutzung zu begegnen.