von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

In seltener Klarheit sind in den Wochen mehrere Entscheidungen zu Gunsten der Schutzsuchenden in Asylverfahren gefallen. das Bundesverwaltungsgericht, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes haben sich zu teilweise grundsätzlichen Fragen betreffen das Asylverfahren und Abschiebungen geäußert.

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 16.02.2023 – 1 C 19.21) hat entschieden, dass ein Auslesen von Handydaten im Asylverfahren unzulässig ist, wenn andere Erkenntnisquellen wie Dokumente aus dem Heimatland zur Feststellung der Identität zur Verfügung stehen. Die einschlägige Rechtsgrundlage § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG iVm. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG lasse ohnehin die Ausschließung von Handys nur zu diesem Zweck zu. Die hieran zu stellenden Anforderungen hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber nicht eingehalten. So hatte auch schon die erste Instanz entschieden.

Der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg (Urt. v. 22.02.2023 – A 11 S 1329/20) hat in einer aktuellen Entscheidung die Abschiebung eines jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mannes nach Afghanistan für unzulässig erklärt und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, Abschiebungsverbote festzustellen. eine Abschiebung nach Afghanistan würde den Mann in eine ausweglose und deswegen menschenunwürdige Lage bringen, da die Situation in Afghanistan so problematisch sei, dass dort nicht einmal die elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot und Seife“) erwirtschaftet werden könnten. Die Flüchtlingseigenschaft oder den sogenannten subsidiären Schutz wollte der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuerkennen.

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Urt. v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 u.a) hat bereits im vergangenen Jahr in fünf Entscheidungen Abschiebungen nach Griechenland als rechtswidrig angesehen. Hintergrund von Abschiebungen innerhalb der EU sind entweder sogenannte Dublin-Verfahren, in denen ein anderer Mitgliedstaat als Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist, oder Asylanträge von Schutzsuchenden, die solchen Schutz bereits in anderen Mitgliedstaaten erhalten haben. In der Entscheidung wurde hinsichtlich Griechenland festgehalten, dass die Situation dort als schutzberechtigt anerkannter Personen aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung und einer faktischen Unmöglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, so katastrophal ist, dass von sogenannten systemischen Mängeln gesprochen werden muss, die auch innerhalb des gemeinsamen europäischen Systems nicht mehr hingenommen werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen kann es sinnvoll sein, zurückliegende und aktuelle asylrechtliche Verfahren noch einmal zu betrachten. Wenn Sie hierzu Fragen haben, wenden Sie sich gern an unsere Experten für Migrationsrecht.

 

 

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

Spezialitätenköche aus dem Ausland können für Ihre Tätigkeit in entsprechenden Restaurants Visa als Fachkräfte erhalten. Es muss sich dabei um ein Angebot nach Rezepten und Herstellungsweisen aus dem Herkunftsland handeln, das die landestypischen Gerichte möglichst unverfälscht wiedergibt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat nun entschieden, dass ein Döner-Imbiss keine solche Arbeitsgelegenheit in einem Spezialitätenrestaurant ist (Urteil vom 22.12.2022 – VG 14 K 139.19 V).

Das Gericht hatte zwar auch Zweifel daran, ob Döner und Pizza überhaupt als landestypische und unverfälschte Gerichte der türkischen Küche sind. Entscheidend war hier aber, dass ein imbisstypischer Verkauf zur Selbstbedienung oder Mitnahme ohne Service und mit begrenzten Sitzgelegenheiten vor Ort schon kein Restaurant im Sinne der Vorschriften darstellt.

Das Urteil zeigt, dass es auch angesichts des Fachkräftemangels nicht sinnvoll ist, sich bei dem Verständnis einer Vorschrift allein auf das eigene Vorstellungsvermögen zu verlassen. Beauftragen Sie besser einen Experten für Migrationsrecht mit der Beratung und Beurteilung, ob ein Visumverfahren erfolgversprechend ist – auch wenn Ihnen möglicherweise nicht jede Antwort gefällt.

Wir suchen für die

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von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

Der Oberbügermeister von Tübingen, Boris Palmer, schaltet nachts die Lichter aus – zum Stromsparen. Der Fall schlägt inzwischen Wellen aus der schwäbischen Provinz bis nach Berlin, auch wenn nach meiner Ansicht auch ein Machtwort des Bundeswirtschaftsminister nichts an der Rechtslage ändert. Auch die Leserschaft des Immobilienteils der FAZ konnte sich im Dezember 2022 mit der Frage befassen, welche verschiedenen rechtlichen und technischen Fragen sich im Zusammenhang mit der Straßenbeleuchtung stellen.

Wie hell darf, muss und kann es zu Zeiten rasant steigender Strompreise auf der Straße noch sein?

Es gibt keine bundesgesetzliche Regelung explizit zur Installation von Straßenbeleuchtung. Bundesweit schreibt lediglich § 32 Abs. 1 Satz 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor:

„Verkehrshindernisse sind, wenn nötig (§ 17 Absatz 1), mit eigener Lichtquelle zu beleuchten oder durch andere zugelassene lichttechnische Einrichtungen kenntlich zu machen.“

Der Bezug auf § 17 Abs. 1 meint die vorgeschriebenen Beleutungseinrichtungen an Fahrzeugen, die zu verwenden sind

„während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern“.

Das gilt also auch für Verkehrshindernisse. Diese Regelung wendet sich aber an jeden, nicht nur an Gemeinden, Städte oder sonstigen öffentliche Stellen. Grundsätzlich betrifft die Frage der Beleuchtung den sog. Träger der Straßenbaulast, je nachdem, um was für eine Straße es sich handelt (Autobahn/Bundesstraße, Landesstraße, Kreisstraße, Gemeindestraße oder Privatweg). Für diesen gibt es eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht zur Straßenbeleuchtung nur in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Sachsen, die die Beleuchtungspflicht den Gemeinden mit unterschiedlichen Voraussetzungen zuweisen. Genaue Regeln zur Ausgestaltung, Helligkeit und Häufigkeit der Beleuchtung finden sich dort allerdings auch nicht. Wir lebten nun nicht in Deutschland, wenn es nicht eine DIN gäbe. Ziff. l der DIN 5044, Teil 1, führt aber auch nur etwas hilflos aus, dass es nicht Aufgabe der Norm sei,

„Aussagen darüber zu machen, ob eine Straße zu beleuchten ist. Die Notwendigkeit, eine Straße zu beleuchten, wird jeweils von der hierfür zuständigen Behörde festgestellt“.

Also Beleuchtungsanarchie?

Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung kann eine solche Pflicht aus der sog. Verkehrssicherungspflicht resultieren, zB. wenn der Zustand einer Straße, ihre Lage oder sonstige Umstände eine Beleuchtung gebieten. Ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht kann zur Schadensersatzpflicht führen. So hat das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 17.2.2006 – Az. 9 U 102/05 – entschieden:

Die Gemeinde verletzt ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn die zeitweilige Abschaltung der Straßenbeleuchtung aus Gründen der Ersparnis dazu führt, dass Pflanzkübel auf dem Gehweg, die verkehrstechnische Aufgaben oder dekorative Zwecke erfüllen sollen, für Fußgänger des Nachts nicht mehr hinreichend erkennbar sind und deshalb eine Verletzungsgefahr darstellen.

Allerdings muss sich ein geschädigter Fußgänger, der über einen solchen Kübel zu Fall gekommen ist, ein Mitverschulden entgegen halten lassen, wenn er sich bei tiefer Dunkelheit ohne ausreichende Sicht nicht vorsichtig seinen Weg ertastet.

Es ist insgesamt davon auszugehen, dass die Rechtsprechung das ganz überwiegend so sehen wird: Zwar müssen Gefahrenstellen beleuchtet werden, wer nichts sieht, darf aber auch nicht wie wild durch die Dunkelheit stürmen.

Die vom 1.9.2022 – 28.2.2023 geltende und Ende September nochmals angepasste „Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung“ (EnSikuMaV) enthält keine ausdrücklichen Regelungen zur Straßenbeleuchtung. Eine Alternative zu Boris Palmers Tübinger Blackout ist zB. eine Einschränkung der Straßenbeleuchtung, indem diese entweder räumlich oder zeitweise ganz ausschaltet wird. Ob das technisch möglich ist, hängt von den Einrichtungen der Gemeinde ab, die – wie zuvor gesagt – keinen einheitlichen rechtlichen Vorgaben unterliegen. Aber alles – auch bei Gefahrenstellen oder Fußgängerüberwegen – ganz abzuschalten, dürfte nirgendwo zulässig sein, auch nicht zum Stromsparen.

Schaufenster und Kneipenschilder

Zunächst betrifft § 11 EnSikuMaV lediglich Werbeanlagen. Dies ist ein Begriff aus dem öffentlichen Baurecht – dem Schaufenster bereits an sich nicht unterfallen. Allein ein dekoriertes, beleuchtetes Schaufenster ist daher keine Werbeanlage in diesem Sinne, was durch das zuständige Bundesministerium bestätigt wurde.

Werbeanlagen sind zB. nach § 50 der Niedersächsischen Bauordnung

„alle örtlich gebundenen Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und von allgemein zugänglichen Verkehrs- oder Grünflächen aus sichtbar sind. Hierzu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Lichtwerbungen, Schaukästen sowie für Zettel- und Bogenanschläge oder Lichtwerbung bestimmte Säulen, Tafeln und Flächen.“

Ein Schaufenster fällt darunter nicht, weil es Teil eines Gebäudes und damit keine eigenständige Anlage ist. Werbeanlagen sind hingegen eigenständige Leuchtschilder, Leuchttafeln oder Bildschirme. Wie ein leuchtender Schriftzug in einem Schaufenster zu werten ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Ausgenommen ist außerdem

„der Betrieb von Werbeanlagen während der Öffnungszeiten, die als Hinweise auf Gewerbe oder Beruf am selben Ort dienen, sowie der Betrieb von Werbeanlagen während Sport- und Kulturveranstaltungen.“

Dh. dass eine Kneipe oder Club, die während der Öffnungszeiten nach 22 Uhr ihr Leuchtschild mit dem Namen  eingeschaltet lassen, nicht gegen die Verordnung verstoßen, ebenso wenig eine Dönerbude, ein Kiosk oder ein Prostitutionsbetrieb.

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.

Weitreichende Änderungen im Aufenthaltsrecht und im Asylverfahren

Am 2.12.2022 hat der Bundestag das Chancen-Aufenthaltsrecht beschlossen. Damit sollen Geduldete ein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten, unter dessen Geltung sie sich dann um die Klärung ihrer Identität kümmern können. Zumeist bedeutet das, dass ein Pass beschafft werden muss. Auch der Zugang zu anderen Bleiberechten für Geduldete, die ihre Identität bereits geklärt haben, wird durch die Gesetzesänderung erleichtert. Außerdem wurde der Ehegattennachzug zu Fachkräften erleichtert, indem die Erforderlichkeit von Sprachkenntnissen vielfach abgeschafft wurde. Ob die weiter beschlossenen Änderungen im Asylverfahren wirklich eine Beschleunigung mit sich bringen, wird sich zeigen müssen.

Die Gesetzesänderungen sind überwiegend am 1.1.2023 in Kraft getreten!

Das Chancen-Aufenthaltsrecht

Nach dem neuen § 104c AufenthG eine Aufenthaltserlaunis soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn

  • am 31.10.2022 mindestens fünf Jahre Aufenthalt in Deutschland bestanden,
  • ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordung vorliegt, das unterschrieben werden muss,
  • keine Straftaten begangen wurden, die zu mehr als 50 Tagessätzen Geldstrafe (90 Tagessätzen bei Straftaten, die nur von Ausländern begangen werden können) geführt haben oder bei denen Jugendstrafrecht (ausgenommen Jugendstrafe) angewendet wurde.

Für die Aufenthaltserlaubnis ist weder die Sicherung des Lebensunterhaltes noch die Klärung der Identität oder die Vorlage eines Passes erforderlich. Sie bedarf keines Visumverfahrens und kann auch nach einem als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag erteilt werden. Sie gilt für 18 Monate und darf währenddessen nur als Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige gem. § 25a AufenthG oder wegen guter Integration gem. § 25b AufenthG verlängert werden.

Änderungen bei Bleiberechten wegen Integration

Die Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige gem. § 25a AufenthG soll

  • bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
  • nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland

erteilt werden. Allerdings setzt die Erteilung mindestens 12 Monate vorangegangene Duldung voraus.

Die Aufenthaltserlaubnis wegen guter Integration gem. § 25b AufenthG kann jetzt schon

  • nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland

erteilt werden. Der Zeitraum verkürzt sich auf vier Jahre, wenn ledige minderjährige Kinder im gleichen Haushalt leben.

Leichtere Einbürgerung in der Diskussion

Nur eine Diskussion der Bundesregierung bleibt die Erleichterung einer Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Allerdings ist dies aktuell für Einbürgerungsbewerber aus der Ukraine greifbar: Das Bundesinnenministerium hat die Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für eine Einbürgerung schon vor einiger Zeit ausgesetzt.

Was bedeutet das für Sie?

Sprechen Sie uns gern auf darauf an, ob das Chancen-Aufenthaltsrecht oder eine der anderen neuen Regelungen für Sie in Frage kommt. Für die Prüfung benötigen wir

  • eine aktuelle Duldungsbescheinigung
  • einen Nachweis für die Einreise nach Deutschland (zB. den ersten Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge),
  • eine Auskunft, ob Sie in der Vergangenheit wegen Staftaten verurteilt wurden und
  • Informationen zu Ihrem Einkommen und mit wem Sie gemeinsam leben.

Senden Sie die Unterlagen an info@rechtskontor49.de. Für die Prüfung fällt eine Bearbeitungspauschale an, wenn wir für Sie das Antragsverfahren durchführen sollen, bringt das weitere Kosten mit sich.

 

Lesen Sie auch noch einmal in unserem FAQ nach!

 

Dieser Artikel ist erstmals am 3.12.2022 erschienen und wird wegen aktueller Änderungen neu veröffentlicht.

rechtskontor49 geht in die Weihnachtspause – ab dem 2.1.2023 sind wir wieder für Sie da!

Wir wünschen schöne Feiertage und einen guten Rutsch!

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

Der Schlachthof der Fa. Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG in Lohne/Niedersachsen hatte in den vergangenen Jahren durch den Landkreis Vechta das Recht erhalten, bis zu 800.000 m³ Grundwasser für seinen Betriebe zu fördern. Seit dem Jahr 2013 ist von dieser Gesamtmenge ein Teil von 250.000 m³ zwischen dem Naturschutzbund (NABU), der Umweltbehörde und dem Unternehmen umstritten. Bereits im Jahr 2016 konnte der NABU mit meiner Unterstützung Nds. Oberverwaltungsgericht erzielen, der auch vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand hatte: Die im Jahr 2013 erteilte Genehmigung wurde aufgehoben.

Seit dem Jahr 2018 war ein fast gleichlautender Bescheid über die gleiche Fördermenge ergangen. Diesen habe ich wiederum für den NABU vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg angegriffen. Das Verfahren wurde am 12.12.2022 vor der ersten Kammer verhandelt, die den Bescheid erneut aufgehoben hat. In der Pressemitteilung des Gerichts liest sich das wie folgt:

Das Gericht hat dabei eine fehlerhafte Ausübung des wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessens (§ 12 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz; WHG) durch den Beklagten angenommen. Das Bewirtschaftungsermessen verpflichtet die Behörden dazu, bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf die Genehmigung einer Grundwasserentnahme unter anderem die im Gesetz (§ 6 WHG) niedergelegten allgemeinen Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung zu beachten und hält sie zu einer nachhaltigen, u.a. sparsamen Bewirtschaftung der Wasserkörper an. Damit ist bei der behördlichen Entscheidung grundsätzlich auch die Frage nach der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der beabsichtigten Wasserentnahme in den Blick zu nehmen.

Die Kammer ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Beklagte diese Aspekte nicht hinreichend geprüft hat, da der von dem Unternehmen bei der Antragstellung angemeldete Wasserbedarf sich aus dem Bedarf mehrerer selbstständiger Unternehmen zusammensetzt. Diesen Umstand hat der Beklagte bei seiner Entscheidung nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere konnte das Gericht nicht feststellen, dass der Beklagte sich hinsichtlich der nur von dem beigeladenen Unternehmen beantragten Erlaubnis einen vollständigen und zutreffenden Überblick über den Zweck und den Umfang der beantragten Wasserentnahmemenge gemacht hat. Aus der beantragten Wasserentnahmemenge sollte zugleich der Wasserbedarf eines anderen, allerdings nicht am Verfahren beteiligten Unternehmens, das in Lohne ebenfalls Lebensmittel herstellt, gedeckt werden.

Über das Verfahren haben noch andere Medien berichtet:

Die Pressemitteilungen hierzu finden Sie hier:

 

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.

 

Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?

Die „Gretchenfrage“ (J. W. Goethe, Faust I, Vers 3415)

 

Am 6.4.2022 hatte das Bundesverwaltungsgericht laut Pressemitteilung Nr. 22/2022 über folgenden Streit zu entscheiden:

Gegenstand des Verfahrens ist eine kommunale Zuwendung zum Erwerb eines Pedelecs nach der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ der beklagten Stadt. Diese fordert eine „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“, mit welcher die/der Antragsteller:in erklärt, die Lehre von Scientology nicht anzuwenden, nicht zu verbreiten und auch keine Kurse oder Seminare der Organisation zu besuchen. Diese Erklärung gab die Klägerin nicht ab, die Stadt versagte die Förderung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen, der übergeordnete Verwaltungsgerichtshof hingegen im Berufungsverfahren Stadt verpflichtet, der Klägerin eine Förderzusage zu erteilen.

Diese oder ähnliche Programme zur Förderung des Radverkehrs gibt es in vielen Städten, so auch in Osnabrück für die Anschaffung von Lastenrädern.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Förderung nicht von der Abgabe der geforderten Erklärung abhängig gemacht werden darf. Zuwendungen und Förderungen dürfen die Kommunen – zu denen auch die beklagte Stadt gehört – nur im Rahmen der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gewähren, innerhalb dessen sie geschützt von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) in eigener Verantwortung tätig wird.

Dieser Rahmen werde überschritten, wenn die Kommune wie hier für die Bewilligung einer Zuwendung eine Distanzierungserklärung von welcher weltanschaulichen Ausrichtung auch immer verlangt. Dies greife in die Religionsfreiheit gem. Art. 4 GG ein, ohne dass es hierfür eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Rechtfertigung gebe. Außerdem sei die (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung im Sinne des Gleichheitsgrundrechts ein unzulässiges Differenzierungskriterium. Es bestehe kein Zusammenhang mit dem Förderungszweck.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu begrüßen, gleichgültig wie man zur Church of Scientology steht. Denn grundsätzlich könnte ansonsten jede Religion von derartigen Förderungen ausgeschlossen oder bestimmte Weltanschauungen bevorzugt werden. Dies ist mit einem säkularen Staat nicht vereinbar – umso überraschender ist es, dass dies einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedurfte und es innerhalb der Instanzen wenigstens das erstinstanzliche Verwaltungsgericht gab, das der beklagten Stadt recht gegeben hat!