von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

Der Schlachthof der Fa. Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG in Lohne/Niedersachsen hatte in den vergangenen Jahren durch den Landkreis Vechta das Recht erhalten, bis zu 800.000 m³ Grundwasser für seinen Betriebe zu fördern. Seit dem Jahr 2013 ist von dieser Gesamtmenge ein Teil von 250.000 m³ zwischen dem Naturschutzbund (NABU), der Umweltbehörde und dem Unternehmen umstritten. Bereits im Jahr 2016 konnte der NABU mit meiner Unterstützung Nds. Oberverwaltungsgericht erzielen, der auch vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand hatte: Die im Jahr 2013 erteilte Genehmigung wurde aufgehoben.

Seit dem Jahr 2018 war ein fast gleichlautender Bescheid über die gleiche Fördermenge ergangen. Diesen habe ich wiederum für den NABU vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg angegriffen. Das Verfahren wurde am 12.12.2022 vor der ersten Kammer verhandelt, die den Bescheid erneut aufgehoben hat. In der Pressemitteilung des Gerichts liest sich das wie folgt:

Das Gericht hat dabei eine fehlerhafte Ausübung des wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessens (§ 12 Abs. 2 Wasserhaushaltsgesetz; WHG) durch den Beklagten angenommen. Das Bewirtschaftungsermessen verpflichtet die Behörden dazu, bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf die Genehmigung einer Grundwasserentnahme unter anderem die im Gesetz (§ 6 WHG) niedergelegten allgemeinen Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung zu beachten und hält sie zu einer nachhaltigen, u.a. sparsamen Bewirtschaftung der Wasserkörper an. Damit ist bei der behördlichen Entscheidung grundsätzlich auch die Frage nach der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der beabsichtigten Wasserentnahme in den Blick zu nehmen.

Die Kammer ist zu der Einschätzung gelangt, dass der Beklagte diese Aspekte nicht hinreichend geprüft hat, da der von dem Unternehmen bei der Antragstellung angemeldete Wasserbedarf sich aus dem Bedarf mehrerer selbstständiger Unternehmen zusammensetzt. Diesen Umstand hat der Beklagte bei seiner Entscheidung nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere konnte das Gericht nicht feststellen, dass der Beklagte sich hinsichtlich der nur von dem beigeladenen Unternehmen beantragten Erlaubnis einen vollständigen und zutreffenden Überblick über den Zweck und den Umfang der beantragten Wasserentnahmemenge gemacht hat. Aus der beantragten Wasserentnahmemenge sollte zugleich der Wasserbedarf eines anderen, allerdings nicht am Verfahren beteiligten Unternehmens, das in Lohne ebenfalls Lebensmittel herstellt, gedeckt werden.

Über das Verfahren haben noch andere Medien berichtet:

Die Pressemitteilungen hierzu finden Sie hier:

 

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

In schönster Gerichtssprache heißt es beim OVG Lüneburg im Beschluss vom 29.09.2022 (Az. 2 NB 21/22):

Für ein auf außerkapazitäre Zulassung zum Zwecke des Studienortwechsels gerichtetes einstweiliges Anordnungsverfahren liegt nur dann ausnahmsweise ein Anordnungsgrund vor, wenn ohne den beabsichtigten Wechsel des Studienortes die Fortsetzung der begonnen Ausbildung ernstlich gefährdet ist oder andere zwingende Gründe, insbesondere existentieller Art, einen Ortswechsel rechtfertigen können (hier verneint).

Worum geht es?

Es gibt vielfältige Gründe einen Studienort zu wechseln. In der vorliegenden Konstellation hatte ein Student der Humanmedizin zunächst erfolgreich im Ausland ein Grundstudium absolviert und bewarb sich dann an einer deutschen Universität, um das Hochschulstudium in der Bundesrepublik fortzusetzen. Dabei erhielt er eine Zusage für eine deutsche Universität.

Da er jedoch zwischenzeitlich Vater eines Kindes geworden war und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in einer anderen Stadt als der Stadt leben wollte (in der er eine Zulassung für das Studium in Deutschland erhalten hatte) bewarb er sich zusätzlich an einer Universität in der Stadt, in der er den Lebensmittelpunkt mit seiner Lebensgefährtin und des Kindes gewählt hatte. Die Lebensgefährtin war berufstätig und ein Umzug in die Stadt der Zulassung kam deshalb für den Antragsteller nicht in Betracht. Bei dem weiteren Antrag auf Zulassung handelte es sich um einen außerkapazitären Härtefallantrag, nachdem dort bereits alle verfügbaren Studienplätze vergeben waren.

Was war besonders schwierig?

Eine Entscheidung in einem Klageverfahren wäre für den Antragsteller im Zweifel zu spät ergangen. Die Verfahrensdauern vor den Verwaltungsgerichten sind teilweise erheblich, sodass mit einer Entscheidung durch das Gericht (auf Zulassung an der Wunschuniversität) nicht rechtzeitig vor Beginn des Semesters erfolgt wäre.

Abhilfe schaffen kann hier ein Eilantrag im vorläufigen Rechtsschutz. In rechtlicher Hinsicht setzt ein erfolgreicher Antrag neben den materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs auf den Studienplatz voraus, dass ein Anordnungsgrund vorliegt. Hierbei kommt es darauf an, dass eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht werden muss. Das Verwaltungsgericht hatte in der ersten Instanz einen solchen Anordnungsgrund für den Antragsteller abgelehnt, insbesondere mit der Begründung, dass er bereits eine Zulassung an einer anderen Universität in Deutschland erhalten hatte. In parallelen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht einen Anordnungsgrund angenommen und den Anträgen teilweise stattgegeben. Dort war hingegen für die Antragsteller:innen keine anderweitige Zulassungsentscheidung einer anderen Universität ergangen.

Die Entscheidung

Das OVG setzte sich in der Entscheidungsbegründung ausführlich mit dem grundgesetzlichen Schutz aus Art. 6 (Familien) und Art. 12 (Berufsfreiheit) auseinander. Auch hat das OVG gewürdigt, dass der Antragsteller gewichtige Gründe gegen einen Wohnortwechsel vorgetragen hatte, namentlich günstigere Mieten, zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten für das Kind etc.), ein Sonderfall liege indessen nicht vor.
Insbesondere würdigte das OVG den Umstand, dass eine Wochenendbeziehung des Antragstellers mit seiner Lebensgefährtin auch bereits in der Vergangenheit geführt worden ist und dieser Einwand nun im Rahmen der Prüfung eines außergewöhnlichen Härtefalles nicht berücksichtigt werden könne. Der Antragsteller hatte im Beschwerdeverfahren hierzu vorgetragen, dass die Fahrtkosten im Rahmen einer Wochenendbeziehung zu teuer seien. Auch die Erwartung der Lebensgefährtin, dass der Antragsteller sich umfassend um die Betreuung seines Kindes kümmern solle führt nicht zu einer anders gelagerten Einschätzung.

Was bedeutet dies für Sie?

Im Rahmen von Eilanträgen auf eine Studienplatzzulassung muss der Anordnungsgrund penibel genau vorgetragen werden. Es ist grundsätzlich denkbar (s. o. Leitsatz des Gerichts), dass ein Anspruch auf eine derartige Zulassung bestehen kann. Allgemeine Ausführungen, die kein existentielle Bedrohung glaubhaft machen, sind nicht geeignet einen Anordnungsgrund und die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit zu begründen. Im Ergebnis ist somit stets im Einzelfall zu prüfen und zu erörtern, ob eine entsprechender Antrag erfolgsversprechend gestellt werden kann.

Fragen Sie zu Studenplatzklage und bei anderen Angelegenheiten im Hochschulrecht gern Ihre Experten bei rechtskontor49.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Mitteilung des Wechsels der Anschrift, § 10 Abs. 1 AsylG

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in dem Urteil vom 14.12.2021 – 1 C 40/20, NVwZ 2022, 799 – mit der Frage beschäftigt, wann die Mitteilung des Anschriftenwechsels an die zuständigen Stellen noch als „unverzüglich“ im Sinne des Gesetzes erfolgt. Denn § 10 Abs. 1 AsylG verpflichtet die Personen im Asylverfahren, die nicht mehr in der Aufnahmeeinrichtung leben:

Der Ausländer hat während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.

Das Bundesverwaltungsgericht unterstreicht, dass es sich bei der Verpflichtung aus § 10 Abs. 1 AsylG nicht um eine Rechtspflicht handelt, sondern um spezifische Mitwirkungsobliegenheiten der Schutzsuchenden, bei deren Verletzung der Ausländer mit für ihn nachteiligen rechtlichen Konsequenzen rechen muss, vor allem dass ihm Zustellungen an die (alte) Anschrift normativ zugerechnet werden (BVerwG, NVwZ 2022, 799, 800, Rn. 15). Es ist dem Schutzsuchenden dann nicht möglich sich darauf zu berufen, dass er eine Zustellung nicht erhalten hätte.

In Abkehr zu der vorherigen Instanzrechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht nun klar gestellt, dass (gerechnet vom Umzugstag) die Adressänderung innerhalb von zwei Wochen an die zuständige(n) Stelle(n) mitgeteilt werden muss. Dies gebietet der in Art. 41 GRCh verbürgte Anspruch auf eine gute Verwaltung (BVerwG NVwz 2022, 799, 802 f.).

Es kommt für eine rechtzeitige Mitteilung auf den rechtzeitigen Eingang bei der zuständigen Stelle an. Eine bestimmte Form ist dafür nicht vorgeschrieben:

Die „unverzügliche“ Anzeige eines Wechsels der Anschrift iSv § 10 I Hs. 2 AsylG liegt vor, wenn der Ausländer den Anschriftenwechsel bei den im Gesetz genannten Stellen binnen zwei Wochen, gerechnet ab dem tatsächlichen Umzugstag, angezeigt hat.

Die Anzeige nach § 10 I Hs. 2 AsylG ist formlos möglich.

Unser Rat für Sie

Sowohl Asylsuchende als auch Unterstützer:innen sollten darauf achten, dass die Adresse richtig und rechtzeitig dem Bundesamt mitgeteilt wird. Dies geschieht nur in den seltensten Fällen automatisch. Mit der neuen Linie aus Leipzig können aber vielleicht Verfahren noch gerettet werden, in denen der Bescheid noch an eine alte Adresse zugestellt wurde, bevor die Frist von zwei Wochen abgelaufen war.

Lassen Sie dies am besten von unseren Experten für Asylrecht im rechtskontor49 prüfen.

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.

 

Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?

Die „Gretchenfrage“ (J. W. Goethe, Faust I, Vers 3415)

 

Am 6.4.2022 hatte das Bundesverwaltungsgericht laut Pressemitteilung Nr. 22/2022 über folgenden Streit zu entscheiden:

Gegenstand des Verfahrens ist eine kommunale Zuwendung zum Erwerb eines Pedelecs nach der „Förderrichtlinie Elektromobilität“ der beklagten Stadt. Diese fordert eine „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard/Scientology“, mit welcher die/der Antragsteller:in erklärt, die Lehre von Scientology nicht anzuwenden, nicht zu verbreiten und auch keine Kurse oder Seminare der Organisation zu besuchen. Diese Erklärung gab die Klägerin nicht ab, die Stadt versagte die Förderung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage dagegen abgewiesen, der übergeordnete Verwaltungsgerichtshof hingegen im Berufungsverfahren Stadt verpflichtet, der Klägerin eine Förderzusage zu erteilen.

Diese oder ähnliche Programme zur Förderung des Radverkehrs gibt es in vielen Städten, so auch in Osnabrück für die Anschaffung von Lastenrädern.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass die Förderung nicht von der Abgabe der geforderten Erklärung abhängig gemacht werden darf. Zuwendungen und Förderungen dürfen die Kommunen – zu denen auch die beklagte Stadt gehört – nur im Rahmen der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gewähren, innerhalb dessen sie geschützt von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) in eigener Verantwortung tätig wird.

Dieser Rahmen werde überschritten, wenn die Kommune wie hier für die Bewilligung einer Zuwendung eine Distanzierungserklärung von welcher weltanschaulichen Ausrichtung auch immer verlangt. Dies greife in die Religionsfreiheit gem. Art. 4 GG ein, ohne dass es hierfür eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Rechtfertigung gebe. Außerdem sei die (Nicht-)Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung im Sinne des Gleichheitsgrundrechts ein unzulässiges Differenzierungskriterium. Es bestehe kein Zusammenhang mit dem Förderungszweck.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu begrüßen, gleichgültig wie man zur Church of Scientology steht. Denn grundsätzlich könnte ansonsten jede Religion von derartigen Förderungen ausgeschlossen oder bestimmte Weltanschauungen bevorzugt werden. Dies ist mit einem säkularen Staat nicht vereinbar – umso überraschender ist es, dass dies einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bedurfte und es innerhalb der Instanzen wenigstens das erstinstanzliche Verwaltungsgericht gab, das der beklagten Stadt recht gegeben hat!

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

In einem Schwimmbad in Göttingen wurde ein Hausverbot verhängt – ein Skandal war geboren und löste eine öffentliche Diskussion aus. Denn die betroffene Person trug nur eine Badehose, so dass ihre Brüste deutlich sichtbar waren. Seit dem 1. Mai ist nun bis zum 31. August an den Wochenenden das Oben-ohne-(Sonnen)-Baden erlaubt – für alle Geschlechter.

Doch wie ist die Rechtslage? Wer untersagt Nacktheit im Freibad, im Park oder im Wald?

Anlass für diesen Beitrag war ein Interview mit dem MDR Thüringen Radioformat „Der Reporter“. Den Beitrag von Thomas Becker kann man hier nachhören.

Exhibitionistische Handlungen

§ 183 StGB bestimmt, dass belästigende exhibitionistische Handlungen eines Mannes strafbar sind, also die von einer anderen Person ungewollte Entblößung der männlichen Geschlechtsteile mit dem Ziel, sich selbst sexuell zu erregen. Dort steht also vor allem die Belästigung durch eine aufgedrängte Konfrontation unter Strafe. Die Vorschrift birgt viele Probleme – gerade auch wegen ihrer Beschränkung auf Männer. Sie betrifft zudem nicht den Konflikt in Göttingen und beantwortet auch viele andere Fragen um das Nacktsein in der Öffentlichkeit nicht. Daher soll von einer weiteren Betrachtung abgesehen werden.

Ordnungswidrigkeit

Ansonsten spielen sich derartige Fragen im Umfeld des § 118 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) ab:

Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

Es handelt sich um eine sogenannte Generalklausel, die nicht ausdrücklich geschaffen wurde, um Nacktheit zu sanktionieren. Vielmehr ist dies der ordnungswidrigkeitenrechtliche Auffangtatbestand, der vor allem existiert, um unerwünschtes Verhalten zu erfassen, ohne dieses genau bestimmen zu müssen. Deshalb ist die Vorschrift auch verfassungsrechtlich nicht unproblematisch und muss zurückhaltend ausgelegt werden.

Erforderlich sind drei gemeinsam auftretende Tatbestandsmerkmale:

  • eine grob ungehörige Handlung, also ein aktives Tun, das nach sittlichen Maßstäben sehr anstößig ist,
  • die Eignung zur Belästigung oder Gefährdung der Allgemeinheit und zur Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, ein entsprechender Erfolg muss also nicht eintreten.

Die Orientierung an sittlichen Maßstäben setzt voraus, dass ein breiter Konsens darüber herrscht, ein bestimmtes Verhalten als unerwünscht und damit „ungehörig“ einzustufen. Dabei geht es nicht darum, dass durch die Handlung selbst bereits ein Schaden entsteht, diese muss nur allgemeingültigen sittlichen Vorstellungen widersprechen.

Ob (teilweise) Nacktheit hierunter zu fassen ist, hängt gerade wegen der sittlichen Dimension vom Kontext ab und ist in einer Sauna offensichtlich anders zu beurteilen als in einer Fußgängerzone, in einem sommerlichen Freibad anders als im Kölner Dom zur Weihnachtsmesse. OLG Karlsruhe hat hierzu bereits im Jahr 2000 (Urteil vom 4.5.2000, AZ: 2 Ss 166/99) ausgeführt:

Wer sich unbekleidet auf öffentlichen Straßen und in öffentlichen Anlagen, in denen die Begegnung mit nackten Menschen nicht zu erwarten ist, in einer Weise aufhält, daß er anderen Benutzern den Anblick seines nackten Körpers aufdrängt, handelt ordnungswidrig iSv § 118 OWiG.

Das Hausrecht des Freibades

Das „Oben ohne“-Sonnen in einem Freibad erfüllt wahrscheinlich für sich genommen nicht den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit, entscheidend kommt es daher auf die Haus- und Badeordnung des Freibadbetreibers an.

Dabei sind vor allem kommunale Einrichtungen an die verfassungsmäßige Ordnung und damit an den Gleichheitsgrundsatz gebunden. Dieser verbietet, wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln. Private Betreiber von Bädern und Saunen mögen in ihrer Entscheidung freier sein, wen Es beginnt sich offenbar der Standpunkt durchzusetzen, dass es eine wesentliche Ungleichbehandlung ist, allein Männern (Sonnen-)Baden in Badehose ohne Bedeckung der Brust zu gewähren. Unabhängig davon, wie man diese Frage bewertet, zeichnet die Entscheidung der Stadt Göttingen letztlich nur eine gesellschaftliche Entwicklung nach. Nacktheit, insbesondere aber auch sehr körperbetonte Kleidung, haben in den vergangenen Jahren mehr und mehr den öffentlichen Raum erobert. Es ist vor diesem Hintergrund kaum noch zu erklären, weswegen es zwar in Ordnung sein soll, Abbildungen nackter Körper bzw. Körperteile über Medien allgegenwärtig verfügbar zu machen, aber das Entblößen einer weiblichen Brust in einem Schwimmbad aber zu verbieten. Vergleichbar schwer nachvollziehbar ist es, das Stillen von Säuglingen im öffentlichen Raum als anstößig anzusehen.

Nacktheit in der Rechtsprechung

In der Rechtsprechung ist die Frage des Nacktseins wiederholt thematisiert worden. So besteht kein Kündigungsgrund gegen einen Mieter, der sich auch exzessiv lange nackt im Garten sonnt (Amtsgericht Merzig im Urteil vom 5.8.2005, AZ: 23 C 1282/04). Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat allerdings bereits das Verbot einer Nackt-Radfahr-Demonstration als zulässig angesehen, weil es dabei gerade um das anstößige Verhalten zur Erregung von Aufmerksamkeit gehe (Urteil vom 7.6.2005, AZ: 6 K 1058/05). Mit der oben bereits genannten Entscheidung hat das OLG Karlsruhe das Nackt-Joggen an öffentlichen Plätzen als ordnungswidrig angesehen. Im abgelegenen Wald oder an einem einsamen Bergsee wiederum wird es kaum jemanden geben, der sich angestoßen fühlt.

Nackt Autofahren ist ebenfalls an sich rechtlich unproblematisch – sofern die Vorschriften der Arbeitssicherheit nicht entgegenstehen und das Auto sicher geführt werden kann. Allerdings dürfte es beim Aussteigen auf dem Parkplatz des örtlichen Einkaufszentrums wiederum zu den og. Problemen kommen. Auch ein durch ein einsehbares Fahrzeug (zB. aus einem LKW von oben) von einem abgelenkten Fahrer verursachter Unfall würde möglicherweise zu einer Mithaftung wegen der aufsehenerregenden Fahrweise führen.

Das alles ändert aber nichts daran, dass der Anlass – Oben-ohne-Sonnen im Freibad – nicht schwerwiegend genug sein sollte, um im Jahr 2022 eine solche Debatte auszulösen. Gut, dass sie dennoch geführt wird!

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

„Als Einzelperson ist man oft ratlos!“

Äußerung eines Ratsuchenden, April 2022

Dass die Situation der Radwege in Osnabrück nicht optimal ist, ist inzwischen wiederholt dargestellt worden. Verschärft wird dieser Missstand durch das regelwidrige Abstellen von Kraftfahrzeugen auf Geh- und Radwegen, allgemein Falschparken genannt. Wird ein Geh- oder Radweg von abgestellten Fahrzeugen blockiert, zwingt das die eigentlich berechtigten Nutzer:innen zum Ausweichen – häufig auf weniger sichere Teile des Verkehrsweges, möglicherweise sogar auf die befahrene Straße.

Kann eine Privatperson etwas gegen Falschparkende unternehmen?

Abschleppen lassen

Den Auftrag, ein rechtswidrig abgestelltes Fahrzeug abschleppen zu lassen, kann auf Kosten des Fahrzeughalter:in oder -nutzer:in nur erteilt werden, wenn sogenannte „verbotene Eigenmacht“ durch die Nutzer:in des parkenden Fahrzeuges vorliegt. Dies ist zB. der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einem Privatgrundstück oder einem gemieteten Parkplatz abgestellt wird. Dann hat die berechtigte Person die Möglichkeit, dagegen durch ein sach- und fachgerechtes Abschleppen vorzugehen [vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5.6.2009, Az. V ZR 144/08]. Ähnlich ist es zu bewerten, wenn ein Fahrzeug durch das regelwidrige Parken das Wegfahren von einem Parkplatz oder Grundstück verhindert.

Ein lediglich störendes Fahrzeug im öffentlichen Raum kann durch eine Privatperson nicht beseitigt werden. Dies wäre wiederum seinerseits rechtswidrig und möglicherweise sogar strafbar.

Anzeige erstatten

Die Ordnungsbehörden, also das Ordungsamt vor Ort, sind für die sogenannte Gefahrenabwehr zuständig, die Verhinderung drohender Verletzung von Vorschriften und Rechte anderer Menschen. Hierzu zählt auch das Vorgehen gegen Verkehrswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, in erster Linie natürlich durch „Knöllchen“ mit Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Aber Gefahren für den fließenden Verkehr können auch durch Abschleppen falsch parkender Fahrzeuge im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung – in Niedersachsen nach dem Nds. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) – beseitigt werden. Unter Berufung auf frühere Entscheidungen hat dies das Verwaltungsgericht Leipzig zusammengefasst:

Die Verhältnismäßigkeit einer Abschleppmaßnahme setzt grundsätzlich keine konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer voraus (BVerwG, Beschluss vom 1.12.2000 – 3 B 51/00 -, juris Rn. 4). Nicht jeder Parkverstoß rechtfertigt zwar allein unter Berufung auf eine negative Vorbildwirkung und auf den Gesichtspunkt der Generalprävention ohne Weiteres das Abschleppen eines Fahrzeugs. Die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, dürfen nicht außer Verhältnis zum bezweckten Erfolg stehen, was aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilten ist (BVerwG, Beschluss vom 18.2.2002 – 3 B 149/01 -, juris Rn. 4). Unzweifelhaft ist aber, dass verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge regelmäßig dann abgeschleppt werden dürfen, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Dies gilt etwa beim Verstellen des gesamten Bürgersteigs oder beim Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn, bei Funktionsbeeinträchtigungen einer Fußgängerzone oder beim verbotswidrigen Parken auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz, in Feuerwehranfahrzonen oder auch bei einem Abschleppen zur Verhinderung von Straftaten (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 – 3 C 5/13 -, BVerwGE 149, 254-265, juris Rn. 12). Ebenso ist das Abschleppen eines Fahrzeugs, das in einen Radweg hineinragt, wegen der Verkehrsbedeutung des Sonderweges regelmäßig nicht zu beanstanden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2011 – 5 A 954/10 -, juris Rn. 10; OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000 – 3 Bf 215/98 -, juris Rn. 28).

VG Leipzig, Urteil vom 5.5.2021 – 1 K 860/20

Die Möglichkeiten der Ordnungsbehörde sind also vielfältig und beinhalten insbesondere auch die Möglichkeit, den falsch parkenden Wagen zu entfernen, vor allem bei Behinderung des fließenden Verkehrs. Die Kosten sind dann vom Verursachenden zu tragen.

Darf eine Privatperson die Ordnungsbehörde auf Falschparker hinweisen?

Eindeutig: Ja!

Die einschlägige Literatur leitet aus § 158 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO), der auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt, als Folge des staatlichen Gewaltmonopols ein „Recht zur Anzeige“ ab:

Auch muss der Bürger, wenn ihm jede eigenhändige Deliktssanktionierung verwehrt ist, vom Staat, der insoweit ein Monopol reklamiert, hierzu wenigstens angehört werden. Deshalb ist grundsätzlich jedermann zu den Mitteilungen (…) berechtigt. Es bedarf dazu weder der eigenen Schädigung noch eines besonderen persönlichen Interesses.

Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung
§ 158 StPO, Randnummer 11

Ein Anruf bei der Polizei ist nur hilfreich, wenn der Verstoß außerhalb der normalen Dienstzeiten festgestellt wird und zugleich von dem Parkverstoß eine Gefahr ausgeht, die mit einer gewissen Dringlichkeit beseitigt werden muss. Das kann bei schwerwiegenden Behinderungen durchaus der Fall sein.

Drohen Anzeigenden Geldbußen wegen Datenschutzverstößen?

Vielfach werden Anzeigen gegen Falschparkende oder andere Verkehrssünder:innen mit Handyfotos oder Videos sogenannter Dashcams belegt, bei denen gerade die Kfz-Kennzeichen zu erkennen sind. Teilweise fordern Behörden sogar zur Einreichung von Fotobeweisen auf und bearbeiten Anzeigen ohne diese nicht.

Immer wieder kommt es aber vor, dass solche Anzeigen Gegenstand von Verfahren bei den Landesdatenschutzbehörden sind und zu Bußgeldbescheiden führen. Insbesondere das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht hat inzwischen mehrere Verfahren dieser Art eingeleitet, derzeit hat das Verwaltungsgericht Ansbach über den Fall eines Familienvaters zu entscheiden, der eine Anzeige eingereicht hatte. Die Behörde nimmt an, dass es kein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung gibt, das die elektronische Verarbeitung und Weitergabe des Kfz-Kennzeichens als zumindest mittelbar betroffene personenbezogene Angabe rechtfertigen soll.

Dies ist wenig überzeugend. Wenn Bürgerinnen und Bürger das Recht zur Anzeige haben, müssen sie auch in der Lage und berechtigt sein, die notwendigen Belege vorzulegen. Dies dient dem Eigenschutz vor dem Vorwurf falscher Verdächtigung, aber auch der Sicherung eines ordnungsmäßigen Verfahrens. Zudem handeln sicher die wenigstens Anzeigeerstatter:innen, ohne eigene Interessen zu verfolgen – und wenn es nur die Sicherheit des eigenen Fahrtweges ist.

Der Kollege Rechtsanwalt Michael Kamps hat sich mit dieser Fragestellung eingehend und inhaltlich richtig beschäftigt! Sollten Sie wegen der Verwendung eines Fotos mit Kennzeichen zu einem Bußgeld herangezogen werden, melden Sie sich gern bei uns – wir helfen Ihnen weiter!

Wenn die Ordnungsbehörde nicht tätig wird

Die Möglichkeiten, Ordnungsbehörden zum Einschreiten gegen Falschparker:innen zu zwingen, sind leider überschaubar.

Strafanzeige gegen die Behörde?

Es gibt keinen Straftatbestand, um erfolgversprechend die Untätigkeit einer Verkehrsaufsichtsbehörde durch die Staatsanwaltschaft verfolgen zu lassen. Wie mein Kollege Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier hier schon dargestellt hat, folgt das Ordnungswidrigkeitenrecht – und reine Parkverstöße fallen praktisch immer hierunter – dem sogenannten Opportunitätsprinzip: Entscheidet sich eine Behörde dagegen, etwas zu unternehmen, liegt dies nach derzeitiger Rechtslage in ihrer Entscheidungskompetenz und begeht keine Strafvereiteilung, Rechtsbeugung oder vergleichbare Tat. Das gleiche gilt für die Entscheidung über das Abschleppen, weil auch das Einschreiten im Gefahrenabwehrrecht eine kaum zu überprüfende Ermessenentscheidung ist.

Klagen vor dem Verwaltungsgericht?

Eine sogenannte Untätigkeitsklage ist nur möglich, wenn es um eigene Anträge geht, in denen eigene Belange betroffen sind. Auch wenn eine Anzeige aus eigenem Interesse erstattet wurde, genügt dies für eine Untätigkeitsklage nicht, weil man an einem Verfahren, das durch eine Anzeige eingeleitet wurde, selbst nicht beteiligt ist.

Es ist auch wenig erfolgversprechend, eine Ordnungsbehörde vor dem Verwaltungsgericht zu verklagen, gegen Falschparker strenger mit Bußgeldern vorzugehen oder diese immer abschleppen zu lassen. Zum einen müsste das Verfahren auf einen konkreten Verstoß bezogen sein, der regelmäßig schneller beseitigt ist, als das Verwaltungsgericht selbst im Eilverfahren entscheidet. Zum anderen aber besteht kein allgemeines Recht, dass Behörden gegen Falschparker vorgehen, auf das sich der einzelne berufen könnte. Das aber ist notwendig, um vor dem Verwaltungsgericht Gehör zu finden, wie es zB. in der Vergangenheit mit Luftreinhalteplänen gelungen ist, auf die es einen allgemein durchsetzbaren Anspruch gibt.

Deswegen kann man gerichtlich gegen bestimmte Radwegfestsetzungen vorgehen, zB. wenn die Nutzung des zu benutzenden Weges zu unsicher ist, oder für die Festsetzung bestimmter Park- und Halteverbote oder sonstiger Maßnahmen gegen verkehrswidriges Parken. Für letzteres muss man aber persönlich nicht nur als Passant:in, sondern zB. als Anwohner:in betroffen sein. So hat zuletzt das Verwaltungsgericht Bremen in einem Urteil vom 11.11.2021 (Az. 5 K 1968/19) Anwohner:innen Recht gegeben, die die Straßenverkehrsbehörde zum Einschreiten gegen „aufgesetztes Gehwegparken“ in einer Wohnstraße zwingen wollten, weil die Ordnungsbehörde nichts oder nicht genug unternommen hat. Einen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen gibt es auch danach nicht, einem völligen Ablehnen des Einschreitens hat das Gericht in der dortigen Situation aber eine Absage erteilt. Welche Voraussetzungen für eine solche Konstellation erforderlich sind, können wir jeweils in einer konkreten Beratung sagen.

Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde

Immer möglich sind eine form und fristlose Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde. Erstere richtet sich zumeist gegen die Amtsführung der einzelnen Sachbearbeiter:innen oder Vollzugsbeamte; sie ist an die Stelle zu richten, deren Arbeit beanstandet wird, idealerweise direkt an die Behördenleitung, zB. in Osnabrück die Oberbürgermeisterin. Die Fachaufsichtsbeschwerde wird an die übergeornete Behörde gerichtet, die die Aufsicht über die Ordnungsbehörde führt.

Es besteht kein Grund, hiervor zurückzuschrecken, in einer solchen Beschwerde in eigenen Worten und ohne Nennung von Gesetzen und Paragraphen das zu schildern, was Sie sich wünschen. Ehrlicherweise wird man allerdings sagen müssen, dass Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie wirklich fundiert der Behörde aufzeigen, welcher Missstand besteht, welche Handlungsoptionen die Behörde hat und warum es besser wäre, diese wahrzunehmen. Dafür sind durchaus vertiefte Kenntnisse im Verwaltungs- und Verkehrsrecht erforderlich. Wenn Sie also bei einem solchen Vorgehen vertreten werden wollen, wenden Sie sich gern an uns. Wir unterstützen Sie gern.

Was folgt daraus?

Der erfolgversprechendste Weg, die Situation der Radfahrenden und die Sicherheit auf Radwegen zu verbessern, ist daher der Weg über die politischen Gremien und die Gesetzgebung. Hierzu kann man nur aufrufen – engagieren Sie sich in Parteien, denen die Verkehrswende am Herzen liegt, in Ihrem Stadt- oder Gemeinderat oder unterschreiben Sie beim Radentscheid Osnabrück.

Es ist keine verlorene Zeit, denn dort kann wirklich etwas verändert werden.

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

In der vergangenen Woche kommentierte Rechtsanwalt Burkhard Wulftange einen Vorfall im Südkreis, der inzwischen auch die Neue Osnabrücker Zeitung beschäftigt hat: Ein Montainbiker ist durch einen quer zwischen zwei Bäumen gespannten Stacheldraht vom Fahrrad gerissen und verletzt worden, nur durch Glück ist nichts schlimmeres geschehen.

Wo und wie ist Radfahren im Wald erlaubt?

Grundsätzlich besteht gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) ein allgemeines Recht für jeden, den Wald zur Erholung zu betreten. Auch der Sport – und somit auch solcher mit einem Mountainbike – dient der Erholung.

Dass freies Betreten nicht auch zugleich uneingeschränktes Fahren bedeutet, ergibt sich direkt aus dem folgenden Satz 2:

Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet.

Die näheren Regelungen ergeben sich dann aus dem Landesrecht. Im folgenden sollen zunächst Niedersachsen genauer betrachtet werden.

Dass es überhaupt Beschränkungen für die private, freizeitliche Nutzung des Waldes gibt, hat das Bundesverfassungsgericht als zulässig eingestuft. Mit der Entscheidung „Reiten im Walde“ vom 6.6.1989 (Aktenzeichen: 1 BvR 921/85, veröffentlicht in der amtlichen Sammlung BVerfGE Bd. 80, ab S. 137). Dort ist es nicht als verfassungswidrig angesehen worden, dass das Reiten im Wald auf Reitwege beschränkt zugelassen ist. Gleiches wird man auch für das Radfahren annehmen dürfen.

Die Rechtslage in Niedersachsen

Für das Niedersächsische Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) gehört der Wald zur freien Landschaft. Diese darf jeder Mensch gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG betreten und sich dort erholen, wobei ausdrücklich zwischen Begehen (§ 24 NWaldLG) und Fahren (§ 25 NWaldLG) unterschieden wird und das Reiten mit § 26 NWaldLG einer eigenen Regelung unterliegt.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG ist

Das Fahren mit Fahrrädern ohne Motorkraft (…) auf tatsächlich öffentlichen Wegen gestattet.

Dies umfasst jedenfalls alle Arten muskelbetriebener Fahrräder, also insbesondere auch Mountainbikes. Ob E-Bikes bzw. Pedelecs nach dieser Vorschrift zugelassen sind oder auf die Regelung zu Kraftfahrzeugen zu verweisen sind, ist noch nicht gerichtlich geklärt. Kraftfahrzeuge dürfen nach § 25 Abs. 2 NWaldG nur auf sog. Fahrwegen genutzt werden, während Fahrräder (ohne Motorkraft) im Wald gerade auch Radwegen zugewiesen werden. Es spricht daher einiges dafür, dass E-Bikes und Pedelecs mit Hilfsmotor, die hauptsächlich durch die Pedale vorangetrieben werden, auch für das Fahren im Wald als Fahrräder anzusehen, solange sie straßenverkehrsrechtlich zur Nutzung von Radwegen geeignet sind.

§ 25 Abs. 1 Satz 2 erläutert weiter:

Tatsächlich öffentliche Wege sind private Straßen und Wege, die mit Zustimmung oder Duldung der Grundeigentümerin, des Grundeigentümers oder der sonstigen berechtigten Person tatsächlich für den öffentlichen Verkehr genutzt werden (…)

Als Beispiele nennt das Gesetz:

  • Wanderwege
  • Radwege
  • Fahrwege (befestigte oder naturfeste Wirtschaftswege, die von zweispurigen nicht geländegängigen Kraftfahrzeugen ganzjährig befahren werden können)
  • Reitwege
  • Freizeitwege (durch die Gemeinde in einem Wegeplan bestimmte Wege)

Nach der Rechtsprechung  – Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 30.6.2015 – 4 LB 63/14 – kann die Zustimmung auch in faktischer Weise, zB. durch die Errichtung eines Zaunes, entzogen werden, wenn keine Pflicht zur Einräumung der Wegenutzung besteht. Hiergegen kann die zuständige Waldbehörde einschreiten.

Der Eigentümer oder sonstige Berechtigte muss insbesondere keine unzumutbaren Nutzungen hinnehmen, insbesondere nicht solche,

durch die die Natur als Lebensraum wild lebender Tiere und wild wachsender Pflanzen oder die Grundbesitzenden geschädigt, gefährdet oder erheblich belästigt werden. Hierzu können beispielsweise Downhill abseits tatsächlich öffentlicher Wege, extreme sowie objektbezogene Formen des Geo-Caching sowie insbesondere auch Gotcha-Spiele zählen. Hierunter fallen neben den Veranstaltungen oder Aktivitäten selbst auch die Nutzung von Flächen für Maßnahmen der technischen Abwicklung dieser (z.B. Anbringen von Tafeln oder Markierungen, Aufstellen von Geräten)

  • Ausführungsbestimmungen zum NWaldLG vom 05.11.2016, Nds. MBl. Nr. 43 vom 16.11.2016, S. 1094

Die Nutzung des Waldes und der freien Landschaft unterliegen aber grundsätzlich dem in § 29 NWaldLG geregelten Rücksichtnahmegebot. Daher erstreckt sich die Rücksichtnahme einerseits auf den Wald und das Grundstück selbst, andererseits aber auch auf andere Waldnutzungen. Gem. § 29 Satz 2 NWaldLG müssen Radfahrerinnen und Radfahrer (ebenso wie Reiterinnen und Reiter) besondere Rücksicht auf andere Personen nehmen.

Nach den Ausführungsbestimmungen nicht unter die tatsächlich öffentlichen Wege fallen

  • Fuß- und Pirschpfade
  • Holzrückelinien
  • Brandschneisen
  • Fahrspuren zur vorübergehenden Holzabfuhr,
  • Gestelle/Abteilungslinien, -Grabenränder,
  • Feld- und Wiesenraine,
  • durch Skiloipen verursachte Spuren nach Wegtauen des Schnees

Auf diesen ist das Fahren mit Fahrrädern nicht von der Erlaubnis des § 25 Abs. 1 NWaldLG erfasst.

Was bedeutet das für das Mountainbiking?

Aus dem vorgenannten ergibt sich, dass Mountainbiking nur dort erfolgen darf, wo es wenigstens einen tatsächlichen Weg gibt. Dieser wäre auch bei einer vorbereiteten Downhill-Strecke vorhanden, aber auch bei Wegen, die durchschnittliche Fahrradfahrer:innen eher nicht befahren, sondern allein als Wanderstrecke auffassen würden. Der Weg muss aber nur tatsächlich vorhanden, nicht unbedingt künstlich angelegt, darf aber auch nicht abgesperrt oder von einem erkennbaren Verbot betroffen sein.

Gerade bei den tatsächlich öffentlichen Wegen muss beim Mountainbiking aber besondere Rücksicht auf Fußgänger:innen genommen werden. Lediglich bei festgelegten Radwegen liegt der Nutzungsvorrang bei Radfahrerinnen und Radfahrern.

Andererseits ist aus den vorgenannten Ausnahmen erkennbar, dass ein Weg dennoch vor allem der Fortbewegung, nicht anderen Zwecken wie Jagd, Forstwirtschaft und Brandschutz dienen muss. Downhill querfeldein, also dort entlang, wo man mit dem (geeigneten) Rad mehr oder weniger zufällig fahren kann, ist vom allgemeinen Erholungsrecht nicht umfasst.

Darf der Waldeigentümer selbst die Nutzung des Waldes verhindern?

Dass etwas nicht zulässig ist, sagt aber nichts darüber aus, dass es auf solchen „wilden“ Strecken zulässig wäre, deren Benutzung durch Drahtfallen oder ähnlich gefährliches Verhalten zu verhindern! Was Menschen gefährdet, ist schon aus anderen Gründen meistens verboten!

Welche (weiteren) Möglichkeiten der Beschränkung der Waldnutzung generell bestehend und wer für welche Schäden zu haften hat, betrachten wir im nächsten Teil der Serie „Mountainbike im Wald“.