von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Anforderungen an die Bestimmtheit einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit – „Auf der Straße festkleben“ vor dem OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.04.2023 – OVG 1 S 33/23.

14 Abs. 1 Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin bestimmt, dass die zuständige Behörde die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten kann und die Versammlung nach deren Beginn auflösen kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.

Der Antragstellerin wurde untersagt, sich im Zuge von Versammlungen unter freiem Himmel im Stadtgebiet Berlin

„ab Zustellung des Bescheids für die Dauer bis zum 01.06.2023“ auf den Fahrbahnen und Sonderwegen zwischen den Bordsteinen der Straßen des übergeordneten Straßennetzes festzukleben, einzubetonieren oder in ähnlicher weise dauerhaft mit der Fahrbahn zu verbinden sowie sich dort an andere Personen oder Gegenstände festzukleben, anzuketten oder in ähnlicher Weise dauerhaft zu verbinden.

Im Eilverfahren hatte das OVG nun mit Beschluss vom 28.04.2023 den vorherigen Beschluss des VG Berlin bestätigt. Danach war das konkrete ausgesprochene Verbot hinsichtlich des räumlichen Bereichs zu unbestimmt und damit rechtswidrig. Das OVG machte deutlich, dass aus der Formulierung in der Verfügung „übergeordneten Straßennetzes“ nicht eindeutig erkennbar sei, was konkret von dem Verbot betroffen sei. Insbesondere könne weder von dem Betroffenen noch von etwaigen Vollstreckungsorganen verlangt werden dahingehend selbst die Bestimmtheit der getroffenen Verbotsverfügung zu ermitteln. Die verfügende Behörde hatte weder im Bescheid noch in den zugehörigen Anlagen eine Konkretisierung bspw. durch Aufzählung der erfassten Straßen vorgenommen. Weil die Regelungen einen intensiven Eingriff in die Grundrechtsposition des Adressaten bedeutet, war die Verfügung zu unbestimmt und damit rechtswidrig.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 13.03.2023 – 3 K 2900/22 – entschieden, dass die Rücknahme der Ernennung eines Polizeimeisteranwärters wegen arglistiger Täuschung über das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung rechtmäßig war.

Im konkreten Fall hat ein Anwärter im Polizeidienst vor seiner Ernennung zur Überzeugung der Kammer bewusst wahrheitswidrig ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgegeben. Aufgrund dieses Umstandes war die Ernennung wegen arglistiger Täuschung zurückzunehmen. Das Gericht unterstrich dabei, dass – je nach konkretem Einzelfall – auch die Verpflichtung zur Rückzahlung geleisteter Bezüge bestehen kann.

Im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden bei dem Beamten kinder- und jugendpornographische Schriften aufgefunden worden, sowie Propagandamittel verfassungsfeindlicher Organisationen. Ferner sei der Beamte Mitglied einer Chatgruppe „Grillen gg. Überfremdung“ gewesen. Der Beamte habe Nachrichten mit frauenfeindlichen, antisemitischen, homophoben und fremdenfeindlichen Inhalt versendet. Nachdem dies bekannt wurde, wurde die Ernennung zum Polizeimeisteranwärter zurückgenommen und die Bezüge von der Einstellung bis zum Ausscheiden wurden zurückgefordert.

Der Bewerber hatte damit über seine Verfassungstreue bei der Einstellung getäuscht, was die Rücknahme der Ernennung rechtfertigte Das Gericht unterstrich dabei, dass insbesondere die Intensität, Qualität und Quantität der Handlungen die Rücknahme der Ernennung rechtfertigte.

Hinsichtlich der zurück zu zahlenden Bezüge stellte das Verwaltungsgericht fest, dass diese Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft war. Da der Anwärter am Anfang seiner Ausbildung gestanden habe, sei die Entscheidung der Behörde nicht zu beanstanden. Das Gericht ging hierbei davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine verwertbare Arbeitsleistung erbracht worden sei.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass die besondere Pflichtenstellung des Beamten und die besonderen Anforderungen an die Ernennung keine leere Worthülse darstellen. Das Fallbeispiel zeigt, dass Beamte und Beamtinnen auch außerhalb des Dienstes besondere Verantwortung tragen. Gleichzeitig betont das Verwaltungsgericht, dass stets im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Rücknahme der Ernennung und auch die Rückzahlungspflicht der Bezüge tatsächlich rechtmäßig ist.

Benötigen Sie Unterstützung oder sehen sich einem Disziplinarverfahren ausgesetzt? Sprechen Sie uns gerne an.

 

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14.03.2023 – 3 LD 7/22 (zuvor VG Hannover vom 28.04.2022 – 18 A 3735/21) die Berufung eines Kriminalhauptkommissars zurückgewiesen, mit der sich der Berufungskläger gegen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach erfolgter Disziplinarklage der Polizeidirektion gewendet hatte. In erster Instanz hatte das VG Hannover die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bestätigt.

Im konkreten Fall hatte der Polizeibeamte die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt. Nach Auffassung des VG und auch des OVG stellt dies eine schulhafte Verletzung der Verfassungstreuepflicht i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 3 Beamtenstatusgesetz dar. Darüber hinaus hatte sich der Polizeibeamte in seiner Freizeit in öffentlichen Redebeiträgen dergestalt ausgelassen, dass er Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Die konkreten Meinungsäußerungen haben dabei die Grenze sachlicher Kritik überschritten.

Bei der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis handelt es sich um die schwerste „Sanktion“ im Disziplinarrecht. § 11 NdDizG. § 14 NDiszG bestimmt, dass bei der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme pflichtgemäßes Ermessen auszuüben ist. Die gewählte Sanktion muss dementsprechend verhältnismäßig sein. Dabei sind im Rahmen einer Prognoseentscheidung sowohl die Pflichtverletzung und deren Auswirkungen auf das Dienstverhältnis als auch die Auswirkungen auf das Ansehen gegenüber der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Dies ist Ausfluss der besonderen Rechts- und Pflichtenstellung des Beamten, Art. 33 GG.

Der Beamte hatte sich nach Auffassung des Senats widerholt aktiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung gewandt. Weil er damit gegen die Kernpflichten als Beamter verstoßen habe, sah der Senat die Verhängung der höchsten Sanktion als gerechtfertigt an. Die Entscheidung des OVG ist rechtskräftig.

Die Entscheidung unterstreicht die besondere Pflichtenstellung aller Beamten. Ebenfalls unterstreicht die Entscheidung, dass diese besondere Pflichtenstellung auch mit besonderen Verhaltenspflichten von Beamten in der Freizeit außerhalb des Dienstes einhergeht. Gleichzeitig wird durch die Entscheidung des OVG deutlich, dass auch die höchste Sanktion, die das Disziplinarrecht vorsieht, unmittelbar verhängt werden kann, auch wenn zuvor noch keine Dienstvergehen zu beklagen waren.

Über eine ähnliche Entscheidung und weitere Informationen zu diesem Problemkreis berichten wir hier: Bundesverwaltungsgericht beendet Beamtenverhältnis

 

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr

 

In seltener Klarheit sind in den Wochen mehrere Entscheidungen zu Gunsten der Schutzsuchenden in Asylverfahren gefallen. das Bundesverwaltungsgericht, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes haben sich zu teilweise grundsätzlichen Fragen betreffen das Asylverfahren und Abschiebungen geäußert.

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 16.02.2023 – 1 C 19.21) hat entschieden, dass ein Auslesen von Handydaten im Asylverfahren unzulässig ist, wenn andere Erkenntnisquellen wie Dokumente aus dem Heimatland zur Feststellung der Identität zur Verfügung stehen. Die einschlägige Rechtsgrundlage § 15a Abs. 1 Satz 1 AsylG iVm. § 48 Abs. 3a Satz 3 AufenthG lasse ohnehin die Ausschließung von Handys nur zu diesem Zweck zu. Die hieran zu stellenden Anforderungen hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber nicht eingehalten. So hatte auch schon die erste Instanz entschieden.

Der Verwaltungsgerichthof Baden-Württemberg (Urt. v. 22.02.2023 – A 11 S 1329/20) hat in einer aktuellen Entscheidung die Abschiebung eines jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mannes nach Afghanistan für unzulässig erklärt und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, Abschiebungsverbote festzustellen. eine Abschiebung nach Afghanistan würde den Mann in eine ausweglose und deswegen menschenunwürdige Lage bringen, da die Situation in Afghanistan so problematisch sei, dass dort nicht einmal die elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot und Seife“) erwirtschaftet werden könnten. Die Flüchtlingseigenschaft oder den sogenannten subsidiären Schutz wollte der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuerkennen.

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Urt. v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 u.a) hat bereits im vergangenen Jahr in fünf Entscheidungen Abschiebungen nach Griechenland als rechtswidrig angesehen. Hintergrund von Abschiebungen innerhalb der EU sind entweder sogenannte Dublin-Verfahren, in denen ein anderer Mitgliedstaat als Deutschland für das Asylverfahren zuständig ist, oder Asylanträge von Schutzsuchenden, die solchen Schutz bereits in anderen Mitgliedstaaten erhalten haben. In der Entscheidung wurde hinsichtlich Griechenland festgehalten, dass die Situation dort als schutzberechtigt anerkannter Personen aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung und einer faktischen Unmöglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, so katastrophal ist, dass von sogenannten systemischen Mängeln gesprochen werden muss, die auch innerhalb des gemeinsamen europäischen Systems nicht mehr hingenommen werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen kann es sinnvoll sein, zurückliegende und aktuelle asylrechtliche Verfahren noch einmal zu betrachten. Wenn Sie hierzu Fragen haben, wenden Sie sich gern an unsere Experten für Migrationsrecht.

 

 

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Gleichbehandlung, Equal Pay und geschlechtergerechte Vergütung – in der Praxis kommt es dennoch immer wieder zu der Situation, dass zwischen den Geschlechtern doch andere Vergütungshöhen zu beobachten sind. Neben sachlichen Kriterien haben Arbeitgeber hierzu in der Vergangenheit häufig eine individuelle Verhandlung als rechtfertigendes Element für einen Gehaltsunterschied angegeben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Urteil vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 – zu dieser Verhandlungsoption Stellung bezogen.

Die Entscheidung

Der Umstand, dass eine Beschäftigte für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt erhält wie ein Beschäftigter des anderen Geschlechts begründet die Vermutung i. S. d § 22 AGG, dass diese Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. Diese Vermutung konnte die Beklagte im Verfahren nicht widerlegen.

Nicht ausreichend ist dabei die Begründung (für den Gehaltsunterschied), dass ein Kollege besser und geschickter verhandelt habe. Auch dass der in diesem Fall männliche Beschäftigte auf eine ausgeschiedene weibliche Kollegin nachfolgte, die ebenfalls ein höheres Entgelt verdiente reichte nach den Ausführungen des 8. Sentas nicht für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung aus.

Die Bedeutung für Sie

Sowohl Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als auch Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sollten im Falle von Gehaltsunterschieden zu Kollegen genau überprüfen, worin diese Unterschiede begründet sein können. Das Bundesarbeitsgericht macht deutlich, dass die Vermutungswirkung freilich widerlegt werden kann. Gleichzeitig zeigt der Senat deutlich auf, dass die Anforderungen an eine entsprechende Rechtfertigung hoch sind. Pauschale Begründungen dürften hier in Zukunft nicht mehr ausreichen, sodass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in der Vergütungsstruktur auf einheitliche Standards und nachvollziehe Differenzierungskriterien achten sollten.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nach dieser Entscheidung genau schauen, ob objektive Kriterien eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen oder ob derartige Umstände nicht ersichtlich sind.

Wenden Sie sich an unsere Experten im Arbeitsrecht, wenn Sie Fragen haben, und melden Sie sich direkt per Mail, Telefon oder Whatsapp.

Die rechtlichen Grundlagen

Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union)

„Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“

Dieser Vorgabe ist die Bundesrepublik Deutschland u. a. in § 1 AGG und § 3 EntgTranspG (Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern) nachgekommen. In § 3 Abs. 1 EntgTranspG heißt es:

„Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.“

§ 7 EntgTranspG konkretisiert:

„Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.“

Haben Sie hierzu konkrete Fragen? Sprechen Sie uns gerne an.

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

Mit Pressemeldung vom 10.01.2023 hat das Arbeitsgericht Siegburg auf ein Urteil vom 16.12.2022 (Aktenzeichen 5 Ca 1200/22) hingewiesen. Das Arbeitsgericht gab einer fristlosen Kündigung statt, nachdem eine Pflegeassistentin sich trotz Arbeitsunfähigkeit zu einer Feier begab.

Die Klägerin arbeitete seit 2017 bei der Beklagten. Im Juni 2022 wurde sie für einen Samstag und einen Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Die Klägerin meldete sich hierfür krank und reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Sie nahm dann an einer Party teil und veröffentlichte Bilder von der Feier in ihrem „Whats-App“-Status. Auch war sie auf Fotos zu sehen, die der Betreiber der Party auf seiner Homepage veröffentlichte. Nachdem die Arbeitgeberin Kenntnis von diesen Umständen erhalten hatte, kündigte sie der Klägerin außerordentlich fristlos.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat die Wirksamkeit der fristlösen Kündigung bestätigt. Das Verhalten der Klägerin war geeignet das Vertrauensverhältnis nachhaltig zu stören, nachdem sie – nach Auffassung des Arbeitsgerichts – über die Arbeitsunfähigkeit getäuscht hatte. Die Klägerin hatte der Arbeitgeberin gegenüber mitgeteilt an Grippesymptomen gelitten zu haben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – und auch die Einlassung der Klägerin im Verfahren – waren darauf gerichtet, dass sie an einer 2-tägigen psychischen Erkrankung gelitten habe, die ohne weitere therapeutische Maßnahme nach den zwei Tagen ausgeheilt gewesen sei. Diesen Vortrag glaubte das Arbeitsgericht der Klägerin nicht.

Die Entscheidung zeigt, dass es im Einzelfall darauf ankommt sich genau mit dem Grund der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit auseinanderzusetzen, um zu überprüfen, ob der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Landesarbeitsgericht angefochten werden.

 

von Rechtsanwalt Henning J. Bahr, LL.M.

Weitreichende Änderungen im Aufenthaltsrecht und im Asylverfahren

Am 2.12.2022 hat der Bundestag das Chancen-Aufenthaltsrecht beschlossen. Damit sollen Geduldete ein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten, unter dessen Geltung sie sich dann um die Klärung ihrer Identität kümmern können. Zumeist bedeutet das, dass ein Pass beschafft werden muss. Auch der Zugang zu anderen Bleiberechten für Geduldete, die ihre Identität bereits geklärt haben, wird durch die Gesetzesänderung erleichtert. Außerdem wurde der Ehegattennachzug zu Fachkräften erleichtert, indem die Erforderlichkeit von Sprachkenntnissen vielfach abgeschafft wurde. Ob die weiter beschlossenen Änderungen im Asylverfahren wirklich eine Beschleunigung mit sich bringen, wird sich zeigen müssen.

Die Gesetzesänderungen sind überwiegend am 1.1.2023 in Kraft getreten!

Das Chancen-Aufenthaltsrecht

Nach dem neuen § 104c AufenthG eine Aufenthaltserlaunis soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn

  • am 31.10.2022 mindestens fünf Jahre Aufenthalt in Deutschland bestanden,
  • ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordung vorliegt, das unterschrieben werden muss,
  • keine Straftaten begangen wurden, die zu mehr als 50 Tagessätzen Geldstrafe (90 Tagessätzen bei Straftaten, die nur von Ausländern begangen werden können) geführt haben oder bei denen Jugendstrafrecht (ausgenommen Jugendstrafe) angewendet wurde.

Für die Aufenthaltserlaubnis ist weder die Sicherung des Lebensunterhaltes noch die Klärung der Identität oder die Vorlage eines Passes erforderlich. Sie bedarf keines Visumverfahrens und kann auch nach einem als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag erteilt werden. Sie gilt für 18 Monate und darf währenddessen nur als Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige gem. § 25a AufenthG oder wegen guter Integration gem. § 25b AufenthG verlängert werden.

Änderungen bei Bleiberechten wegen Integration

Die Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige gem. § 25a AufenthG soll

  • bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
  • nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland

erteilt werden. Allerdings setzt die Erteilung mindestens 12 Monate vorangegangene Duldung voraus.

Die Aufenthaltserlaubnis wegen guter Integration gem. § 25b AufenthG kann jetzt schon

  • nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland

erteilt werden. Der Zeitraum verkürzt sich auf vier Jahre, wenn ledige minderjährige Kinder im gleichen Haushalt leben.

Leichtere Einbürgerung in der Diskussion

Nur eine Diskussion der Bundesregierung bleibt die Erleichterung einer Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit. Allerdings ist dies aktuell für Einbürgerungsbewerber aus der Ukraine greifbar: Das Bundesinnenministerium hat die Entlassung aus der ukrainischen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für eine Einbürgerung schon vor einiger Zeit ausgesetzt.

Was bedeutet das für Sie?

Sprechen Sie uns gern auf darauf an, ob das Chancen-Aufenthaltsrecht oder eine der anderen neuen Regelungen für Sie in Frage kommt. Für die Prüfung benötigen wir

  • eine aktuelle Duldungsbescheinigung
  • einen Nachweis für die Einreise nach Deutschland (zB. den ersten Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge),
  • eine Auskunft, ob Sie in der Vergangenheit wegen Staftaten verurteilt wurden und
  • Informationen zu Ihrem Einkommen und mit wem Sie gemeinsam leben.

Senden Sie die Unterlagen an info@rechtskontor49.de. Für die Prüfung fällt eine Bearbeitungspauschale an, wenn wir für Sie das Antragsverfahren durchführen sollen, bringt das weitere Kosten mit sich.

 

Lesen Sie auch noch einmal in unserem FAQ nach!

 

Dieser Artikel ist erstmals am 3.12.2022 erschienen und wird wegen aktueller Änderungen neu veröffentlicht.

rechtskontor49 geht in die Weihnachtspause – ab dem 2.1.2023 sind wir wieder für Sie da!

Wir wünschen schöne Feiertage und einen guten Rutsch!

von Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier

 

In schönster Gerichtssprache heißt es beim OVG Lüneburg im Beschluss vom 29.09.2022 (Az. 2 NB 21/22):

Für ein auf außerkapazitäre Zulassung zum Zwecke des Studienortwechsels gerichtetes einstweiliges Anordnungsverfahren liegt nur dann ausnahmsweise ein Anordnungsgrund vor, wenn ohne den beabsichtigten Wechsel des Studienortes die Fortsetzung der begonnen Ausbildung ernstlich gefährdet ist oder andere zwingende Gründe, insbesondere existentieller Art, einen Ortswechsel rechtfertigen können (hier verneint).

Worum geht es?

Es gibt vielfältige Gründe einen Studienort zu wechseln. In der vorliegenden Konstellation hatte ein Student der Humanmedizin zunächst erfolgreich im Ausland ein Grundstudium absolviert und bewarb sich dann an einer deutschen Universität, um das Hochschulstudium in der Bundesrepublik fortzusetzen. Dabei erhielt er eine Zusage für eine deutsche Universität.

Da er jedoch zwischenzeitlich Vater eines Kindes geworden war und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in einer anderen Stadt als der Stadt leben wollte (in der er eine Zulassung für das Studium in Deutschland erhalten hatte) bewarb er sich zusätzlich an einer Universität in der Stadt, in der er den Lebensmittelpunkt mit seiner Lebensgefährtin und des Kindes gewählt hatte. Die Lebensgefährtin war berufstätig und ein Umzug in die Stadt der Zulassung kam deshalb für den Antragsteller nicht in Betracht. Bei dem weiteren Antrag auf Zulassung handelte es sich um einen außerkapazitären Härtefallantrag, nachdem dort bereits alle verfügbaren Studienplätze vergeben waren.

Was war besonders schwierig?

Eine Entscheidung in einem Klageverfahren wäre für den Antragsteller im Zweifel zu spät ergangen. Die Verfahrensdauern vor den Verwaltungsgerichten sind teilweise erheblich, sodass mit einer Entscheidung durch das Gericht (auf Zulassung an der Wunschuniversität) nicht rechtzeitig vor Beginn des Semesters erfolgt wäre.

Abhilfe schaffen kann hier ein Eilantrag im vorläufigen Rechtsschutz. In rechtlicher Hinsicht setzt ein erfolgreicher Antrag neben den materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs auf den Studienplatz voraus, dass ein Anordnungsgrund vorliegt. Hierbei kommt es darauf an, dass eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht werden muss. Das Verwaltungsgericht hatte in der ersten Instanz einen solchen Anordnungsgrund für den Antragsteller abgelehnt, insbesondere mit der Begründung, dass er bereits eine Zulassung an einer anderen Universität in Deutschland erhalten hatte. In parallelen Verfahren hatte das Verwaltungsgericht einen Anordnungsgrund angenommen und den Anträgen teilweise stattgegeben. Dort war hingegen für die Antragsteller:innen keine anderweitige Zulassungsentscheidung einer anderen Universität ergangen.

Die Entscheidung

Das OVG setzte sich in der Entscheidungsbegründung ausführlich mit dem grundgesetzlichen Schutz aus Art. 6 (Familien) und Art. 12 (Berufsfreiheit) auseinander. Auch hat das OVG gewürdigt, dass der Antragsteller gewichtige Gründe gegen einen Wohnortwechsel vorgetragen hatte, namentlich günstigere Mieten, zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten für das Kind etc.), ein Sonderfall liege indessen nicht vor.
Insbesondere würdigte das OVG den Umstand, dass eine Wochenendbeziehung des Antragstellers mit seiner Lebensgefährtin auch bereits in der Vergangenheit geführt worden ist und dieser Einwand nun im Rahmen der Prüfung eines außergewöhnlichen Härtefalles nicht berücksichtigt werden könne. Der Antragsteller hatte im Beschwerdeverfahren hierzu vorgetragen, dass die Fahrtkosten im Rahmen einer Wochenendbeziehung zu teuer seien. Auch die Erwartung der Lebensgefährtin, dass der Antragsteller sich umfassend um die Betreuung seines Kindes kümmern solle führt nicht zu einer anders gelagerten Einschätzung.

Was bedeutet dies für Sie?

Im Rahmen von Eilanträgen auf eine Studienplatzzulassung muss der Anordnungsgrund penibel genau vorgetragen werden. Es ist grundsätzlich denkbar (s. o. Leitsatz des Gerichts), dass ein Anspruch auf eine derartige Zulassung bestehen kann. Allgemeine Ausführungen, die kein existentielle Bedrohung glaubhaft machen, sind nicht geeignet einen Anordnungsgrund und die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit zu begründen. Im Ergebnis ist somit stets im Einzelfall zu prüfen und zu erörtern, ob eine entsprechender Antrag erfolgsversprechend gestellt werden kann.

Fragen Sie zu Studenplatzklage und bei anderen Angelegenheiten im Hochschulrecht gern Ihre Experten bei rechtskontor49.